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© Nilz Böhme
Der Biberpelz
Nicht nur für den Amtsvorsteher, der von Axel Strothmann gespielt wird, bedeuten die Weihnachtskugeln Reichtum.
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© Nilz Böhme
Der Biberpelz
Weihnachtskugeln in Lebensgröße, die von der Decke hängen. Der geifernde Amtsvorsteher auf einem Hocker, die Kugeln liebkosend, voller Stolz auf sein Blingbling. Um ihn herum: die kleinen Leute, die auch was vom Kuchen ab haben wollen. In Enrico Stolzenburgs Inszenierung von Heinrich Manns sozialkritischem Drama "Der Biberpelz" am Schauspielhaus Magdeburg giert jeder nach Reichtum und das in überzogener Art und Weise.
Objekt der Begierde und Zeichen für Reichtum sind bei Stolzenburg die übergroßen Weihnachtskugeln. Abgesehen davon ist die Bühne von Doris Dziersk eher karg eingerichtet worden. Sie zeigt eine dunkle, spärliche Kammer, in der Familie Wolff lebt. Aus dieser unangenehmen Umgebung möchte die Familie entfliehen und streben nach Reichtum. Für die Waschfrau Frau Wolff ist "Geld ist Geld" die Devise und davon kann sie nicht genug bekommen. Das zeigt Stolzenburg in seiner Inszenierung nicht irgendwie, er lässt in seine Figuren gerne mal furchtbar rasend werden. Anstrengend ist das nie, vielmehr herzhaft komisch, wenn Frau Wolff sich vom Fernseher anschreien lässt, dass Shoppen bis der Arzt kommt nicht gebremst werden kann. Das Geld dafür besorgt sie sich nicht durch ehrliche Arbeit- wen juckts!
Passenderweise untermalt das bestechende, gleichermaßen zynische Lied „Money, Money, Money“ in der Inszenierung kontinuierlich mal sanft, mal aggressiver die Triebkraft der Figuren in Stolzenburgs Inszenierung. Manns Romanvorlage ist irgendwo um Berlin situiert. Das unterschlägt Enrico Stolzenburg glücklicherweise nicht. Die Sprache, eine Mischung aus schlesisch und berlinerisch, bestimmt den Umgangston der Figuren, der so deutlich härter wirkt, wenn Frau Wolff beispielsweise ihren Mann beleidigt, indem sie ihm das Mannsein abspricht und ihn als „weiches Mädchen“ bezeichnet. Die gewitzte und um ihren eigenen Vorteil bedachte Frau Wolff spielt Iris Albrecht. Ihr gelingt es den Umgangston in seiner Härte und Gnadenlosigkeit so authentisch wirken zu lassen, wodurch dem Zuschauer vor lauter Ungläubigkeit über soviel Schroffheit, ein Lächeln entlockt werden kann. Man glaubt ihr, wenn ihre Frau Wolff einen Rehbock ohne Jagdschein schießt und angibt: „Ob mirsch nu fressen oder de Raben, gefressen werd's doch!“ Frau Wolffs Ziel ist Reichtum und das gelingt Iris Albrecht dem Publikum bewusst zu machen, da wird auch der Rollator vom Krüger (Silvio Hildebrandt) mit Füßen getreten, nur um ihre eigene Position zu erhöhen.
Für Axel Strothmanns Figur des Amtsvorsteher ist das keine Option, er hat das Geld. Er hat die Weihnachtskugeln, die bei seinem Auftritt vermehrt von der Decke hängen. In heroischer Pose lässt Strothmann seine Figur neben seinem Reichtum posieren. Durch die von Carolin Schogs entworfenen Kostüme von Tochter Adelheid (Luise Audersch) mit ihrem teenyhaften Gothic-Look, Krüger in seiner Zuhälterkluft samt Pelzmütze oder dem Fleischer (Sebastian Reck) mit dem Öko Image à la Wollpulli und Jesuslatschen werden die Figuren trefflich karikiert und der Stoff gleichsam ein Stückchen in die Gegenwart gerückt. Trotz unmoralischer und egoistischer Vorgehensweise, sind es Charaktere wie Mitteldorf ( Marlène Meyer-Dunker), der sich in peinlicher Verlegenheit und Hinfallen übt sowie der rüstige Krügers, der seinen Rollator benutzt als wenn er demnächst auf vier Beinen gehen will, die den Zuschauer amüsieren und die Gier der Figuren lächerlich erscheinen lassen. Besonders diese Szenen sind es auch, die den anfänglichen Schlagabtausch zwischen Frau Wolff und ihrer Familie noch übertreffen und die Inszenierung zu dem macht, was sie ist: eine Diebeskomödie.