Ihr dreieinhalbtes Album ist fertig! Wie bitte? Dreieinhalb? Genau! Denn der Vorgänger „Wer jagt mich wenn ich hungrig bin“ von 2019 ist nur ein „Halbum“, ein halbes Album also. Und damit sind wir auch schon in der buntspechtigen Gedankenwelt, in der sich die Realität um eine kleine Ecke verdreht präsentiert. „Spring bevor du fällst“ liegt dabei im fortlaufenden Trend der Band, die es geschafft hat, innerhalb weniger Jahre eine „corporate identity“ zu schaffen, wie es so schön heißt.
Ganz so, als hätten Hildegard Knef und Bertolt Brecht einem Konzert der DresdenDolls beigewohnt, danach eine Ausstellung von Salvador Dalí besucht und sich nachher mit etwas Absinth ins Studio verschanzt, verquirlen sie Kammerpop, Cabaret-Punk und Österreicher Klezmer zu einer entrückten Klangerfahrung mit Texten, die sich ebenfalls allen gängigen Verständnissen und Eindeutigkeiten entziehen. Sänger Lukas Klein trägt diese in seinem nasalen Hochdeutsch mit einer Prise Wiener Schmäh vor, und lässt die Menschen vor den Empfangsgeräten rätseln ob ihrer unzähligen Interpretationsebenen. Bereits die erste Vorabsingle „Benütz mich“ wirkt wie eine verschrobene Liebeserklärung mit sadomasochistischer Goldkante. Aber auch die brachiale US-Vaudeville-Orchester-Nummer „Göttindes Übergangs“ entzieht sich regelmäßig einer eindeutigen Interpretation.
Buntspecht lieben es, mit der deutschen Sprache zu spielen und entweder ihre Unschärfepreiszugeben oder sie in surrealistische Momente zu tauchen. Kleine Beispiele gefällig? „Dort wo die Füchsin die Orange verschlang und der Wahnsinn langsam seinen Anfang nahm“ („Von langen Nächten“). Oder wie wäre es damit: „Im Streichelzoo der Smartphones wünscht ich, dass du mich berührst“ („Paradies“).Dort, wo die Realität ihre Grenzen erreicht, setzen Buntspecht an, um diese noch ein bisschen weiter auszudehnen. Klein‘s Texte sprühen nur so vor überbordendem Wortwitz und schelmischen Verdrehungen. „Spring bevor du fällst“ ruft deswegen bereits nach dem ersten Durchhören nach Wiederholung. Man könnte vielleicht die eine oder andere Finte verpasst haben.
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© E. Dudek