Die nach dem griechischen Philosophen Platon benannten fünf platonischen Körper sind geometrische Konstruktionen von höchster Symmetrie. Bekannt sind sie mindestens seit Pythagoras. Sie bestehen aus regelmäßigen Drei, Vier- oder Fünfecken und setzen sich aus vier, sechs, acht, zwölf oder zwanzig Flächen einer jeweils gleichen Gestalt zusammen. Diese äußerlich ruhenden Körper haben Philosophen, Naturwissenschaftler und Künstler seit der Antike immer wieder fasziniert. Schon Platon ordnet sie den fünf Elementen Erde, Wasser, Luft, Feuer und Äther(Kosmos) zu. Kepler benutzt sie willkürlich für seine Berechnung der Planetenbahnen, kommt aber zu relativ genauen Ergebnissen.
In einer seiner jüngsten Arbeiten unternimmt Jean Kirsten den Versuch, vier der platonischen Körper im fünften, dem zwanzigflächigen Ikosaeder, zu implementieren. Das Ergebnis dieser künstlerischen Raumforschung ist Bewegung, sowohl der Tatsachen als auch ihrer Wahrnehmung und der daraus resultierenden Vorstellungen über sie. In der Serie „Excavatio“ spielt Kirsten dazu alle Variationsmöglichkeiten durch.
Die bildnerische Erforschung von Bewegungen und Strukturen in Fläche und Raum bildet den Kern der künstlerischen Arbeit von Jean Kirsten, der an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Günter Horlbeck studierte. Neben dem unendlichen Reservoir geometrischer und struktureller Formen, die dem Künstler von Anfang an Inspiration für seine Arbeit war, trat schon 2009 die seither andauernde Erkundung der Raum-Harmonielehre des ungarischen Avantgarde-Choreographen und Tänzers Rudolf von Laban. Auch die von Laban entwickelte Notationsmethode (Labanotation) bedient sich der platonischen Körper.
Dabei sind Kirstens von Laban inspirierte Bild- und Raumfindungen, wie die Dresdner Kunsthistorikerin Teresa Ende schreibt, „keine Illustrationen“ oder „bildgebende Übertragungen der Labanschen Prinzipien“. Es handelt sich um ganz eigene „über sich selbst“ und ihren Anlass „hinauswachsende geometrische Strukturen in permanenter Veränderung, die bei aller Ordnung und Systematik frei von jeder inhaltlichen Festlegung, Einengung und kontrollierender Reglementierung sind.“
Biografie
Jean Kirsten wurde 1966 in Dresden geboren und studierte von 1990 bis 1995 an der dortigen Hochschule für Bildende Künste Malerei bei Günter Horlbeck. Danach war er Meisterschüler und künstlerischer Assistent bei Günther Hornig bis 2004. Seitdem arbeitet er freischaffend in Dresden. Jean Kirsten erhielt zahlreiche Förderungen und kann auf zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland verweisen. Er ist Mitglied der Laban Guild International.
WERKHEFT
Zur Ausstellung erscheint ein 32-seitiges Werkheft mit einem Text von Teresa Ende (Dresden) und Fotografien der Magdeburger Ausstellung von Hans-Wulf Kunze (Magdeburg).
Erscheint voraussichtlich im November 2022.
Kurator: Norbert Eisold
16.9.-11.12.22 | Mi.-So. 14-18 Uhr