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Frank Hengstmann
Für Frank Hengstmann begann alles in Stadtfeld, genauer in der Immermannstraße 30, dritter Stock. Sie waren drei Brüder, die beiden großen acht und neun Jahre älter. Mittelpunkt ihrer Wohnung war die Küche mit der Grude, die mit Koks gefüttert wurde und mit wohliger Wärme fast die ganze Wohnung beheizte. Ohne Koks ging nichts. So gehörten für ihn die Kohlenmänner, die mit rußschwarzen Gesichtern Säcke in die Keller trugen, in den 1960ern ebenso zum Straßenbild.
Aus Stadtfeld raus ging es meistens mit der Straßenbahn. Mit der Linie 12 konnte man durchfahren bis zur Haltestelle Erich-Weinert-Straße. Ein paar Meter waren es von dort noch bis zum dem Kulturhaus „Ernst Thälmann“, das Frank stets als „meine künstlerische Wiege“ bezeichnete. Denn dort hatte er als stolzes Mitglied des ersten Kinderkabaretts der DDR „Die Kritiküßchen“ seinen ersten Auftritt vor Publikum. Das war am 26. Oktober 1961. Seinem Vater Erich Hengstmann war er dafür äußerst dankbar, obwohl er vor dem Auftritt gezittert hat: „Mit der Gründung der „Kritiküßchen“ hat mein Vater dafür gesorgt, dass ich mein Leben lang an der ,Nadel‘ Bühne hänge!“, hat er mal gesagt.
Sein weiterer künstlerischer Werdegang war dagegen nicht immer eben. Über manch einen der Steine, die ihm in den Weg gelegt wurden, ist er gestolpert, aber immer wieder aufgestanden. So auch 1971 als Knabe mit zarten 16 Jahren. Zu der Zeit hatte er sich bei mehreren staatlichen Schauspielschulen beworben und bei zwei von ihnen offenbar gute Aussichten, aufgenommen zu werden. Doch Volksbildungsministerin Margot Honecker brachte plötzlich einen Erlass heraus: Männliche Bewerber für ein Schauspielstudium mussten eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Also musste Frank gegen seinen Willen zunächst Zerspanungsfacharbeiter, Spezialrichtung Fräser, lernen. Zwei lange Jahre fräste er sozialistische Nuten ins Metall. Dann verteidigte er drei Jahre lang mit der Kalaschnikow in der Hand sein sozialistisches Vaterland.
Für die Schauspielschule war er danach zu alt. Aber er durfte zum Fernstudium bei der Generaldirektion für Unterhaltungskunst. Dort lernte er vom Dozenten O.F. Weidling seinen künftigen Leitsatz „Unterhaltung hat auch immer etwas mit Haltung zu tun.“ Der adelte ihn später bei einem Vorsprechen mit „jung-freches Schlitzohr“. Über weitere Stationen im künstlerischen Volksschaffen erkämpfte sich Frank Hengstmann 1982 doch noch seine „Pappe“ – also den Berufsausweis als Kabarettist und Conferencier. Dabei wäre aus diesem Schlitzohr beinahe doch keine Rampensau geworden, denn wer eine spitze Zunge pflegt, der erzeugte auch damals schon staatlichen Gegenwind. Einer dieser windreichen Sätze war: „Diesen konterrevolutionären Scheiß willst Du hier singen ... Du bist raus aus der Nummer.“ Ein anderes Mal: „Das war ja eben sehr witzig. Aber nun reicht es!“ Es reichte am Ende doch noch nicht, Hengstmann durfte weitermachen.
Angekommen im wiedervereinten Deutschland steht er 1994 mit seinem Soloprogramm "Gemeinsam sind wir unschlagbar" auf der Bühne der „Kugelblitze". Es zeichnete sich bald ab, dass auch seine beiden Söhne, Sebastian und Tobias, diesen kabarettistischen Weg für sich wählen würden. Und damit lässt sich natürlich gut kokettieren: So gaben sie 2006 ihrem Sommer-Open-Air-Kabarett den Titel „Wenn die Väter mit den Söhnen ...“
Zwei Jahre später, im November 2008, sollte die Eröffnung des familieneigenen Kabaretts „nach Hengstmanns“ der nächste mutige, konsequente Schritt sein. Antreiber waren dabei die beiden Youngster Sebastian und Tobias, die ermutigt durch eigene Erfolge auf der Kabarettbühne mit viel Verve das Projekt angehen. Doch „Ohne Papa hätten wir das nicht gemacht“, hielt Sebastian damals fest. Das Haus im Nordabschnitt war der richtige Platz, um mal gemeinsam, mal getrennt mit seinen Söhnen Texte zu schreiben und sowohl solistisch, als Trio oder als Duo auftreten. Anders gesagt: gemeinsam etwas Eigenes, Großes aufzubauen.
Im Herbst vor zwei Jahren kam Frank nochmal mit einem Soloprogramm heraus. „Listig, lustig“ hieß der Abend, mit dem der große Kabarettist sein 60jähriges Bühnenjubiläum quasi nachfeierte. Seine berühmte Bühnenfigur Manni eröffnete den Abend, hielt die Laudatio auf den Jubilar. Und der echte Frank würzte sein Programm mit Liedern, die er nach bekannten Melodien selbst textet und am Klavier begleitete.
Aber da gab es schon erste Anzeichen einer bösartigen Krankheit, die ausgerechnet seinen Kehlkopf, den Mittelpunkt seiner Stimmlichkeit, erfasste. Den Kampf gegen den Krebs hat er verloren. Nun ist Frank Hengstmann am 2. Dezember mit nur 68 Jahren von der großen Bühne des Lebens abgetreten.