© Reichmann
Ein jeder ist auf Skiern unterwegs und hat eine gut 80 kg schwere Pulka zu ziehen
Der hart peitschende Wind treibt Schnee über die weite Fläche, zunehmend verschleiert sich die Horizontlinie, scheinen Himmel und Erde zusammenzuwachsen. Im extremen Fall endet es im gefürchteten Whiteout, wenn durch diffuse Reflexion des Lichts der Horizont gänzlich verschwindet und eine Orientierung nahezu unmöglich wird. Es ist es nur eine der Herausforderungen, wenn man auf Skiern durch die Eistundra Grönlands will. Auch angesichts von Temperaturen unter 30 Grad minus ist eine Durchquerung dieser Einöde schwer vorstellbar. Für Jan Reichmann ist es dagegen einfach eine Herausforderung. Der gebürtige Magdeburger fing schon in Jugendjahren mit Aktivitäten in der Natur an: Wandern, Radfahren, Bergsteigen. Seine ersten alpinen Erfahrungen sammelte er in der Hohen Tatra, seitdem hat sich der 47 -jährige immer weiterentwickelt. Von Beginn an ist er bei seinen Touren mit Freunden unterwegs, in Grönland waren sie zu sechst. Knapp 600 km mussten durch die grönländische Kältesteppe zurückgelegt werden. „Sowas sollte man nicht als allererste Tour im Leben machen“, lacht er. „Ist man mitten im Nirgendwo und schaut geradeaus, hat man keine Abschätzung, wie weit man von irgendetwas entfernt ist“.
Sein ganzes Gepäck hat er auf einer Pulka, einer Art Lastschlitten hinter sich hergezogen. Dabei hatte er um die 80 kg zu ziehen. Ähnlich wie auf Langlaufskiern setzt man sich gemächlich auf den Backcountry Skiern in Gang. Bei einem Kollegen gab es zwischendurch Probleme mit der Bindung. In so einem Fall zeigt sich, was es heißt, gut vorbereitet zu sein: Das Team hatte Ersatzskier dabei.
Die größten Gefahren, denen man auf solch einer Grönland-Tour ausgesetzt sein kann, sind Stürme und – schlimmer noch – Angriffe durch Eisbären. Für so einen Fall hatte die Gruppe ein Gewehr dabei, das zum Glück nicht benötigt wurde. Man ist zwar durch mehrere unabhängige Funksysteme mit der Zivilisation verbunden, doch es dauert seine Zeit, bis man gefunden wird und eine Rettung kostet ein kleines
Vermögen.
Ende Mai kam Reichmann zurück. Von da an konnte er wieder duschen, im Bett schlafen, musste sich nicht mehr nur aus Tüten ernähren. Alle zwei bis vier Jahre plant er eine größere Tour. Ob es beim nächsten Mal zu Fuß, auf dem Rad oder auf Skiern hinausgeht, das bleibt vorerst offen.