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Macht die Entwicklung des Radverkehrs mehr und mehr zur Chefsache: Oberbürgermeisterin Simone Borris
Wie ein Lindwurm zog sich am 17. März die Schlange der gut 150 Radfahrer durch die südliche Altstadt, mittendrin die beiden wichtigsten Personen, wenn es um Entscheidungen für die Zukunft des Radverkehrs in Magdeburg geht: Oberbürgermeisterin Simone Borris und ihr Dezernent für Umwelt und Stadtentwicklung Jörg Rehbaum. Schon zum zweiten Mal hatten die Oberbürgermeisterin und die Magdeburger Ortsgruppe des ADFC zur Radtour eingeladen, um sich „gemeinsam ein Bild von der aktuellen Situation für Radfahrende in der südlichen Innenstadt sowie in den nördlichen Bereichen Buckaus und des Wohngebietes Leipziger Straße zu machen“. Schon am Start hatte die Oberbürgermeisterin deutlich gemacht, dass sie es ernst meint, durch infrastrukturelle Maßnahmen etwas am Verkehrsmix der Stadt zu ändern, dem Radverkehr mehr Priorität zu geben.
Wie gute Infrastruktur ausschaut, kann man in den Niederlanden sehen: Seit 2012 verbindet etwa der Hovenring, ein schwebender Radfahrer-Kreisverkehr über eine Schnellstraße, die Orte Eindhoven und Veldhoven. Rund 5.000 Menschen frequentieren die Brücke täglich zu Fuß und zu Rad. Wie sich Investitionen in die Radinfrastruktur im Ergebnis niederschlagen, kann man in Amsterdam sehen: Binnen 20 Jahren stieg dort der Anteil des Radverkehrs um 40 Prozent. Davon ist Magdeburg noch weit entfernt. Und so wird der ADFC nicht müde, bei der Verkehrsplanung Einfluss zu nehmen.
In Magdeburg zeigt sich hingegen die über Jahrzehnte wankelmütige Behandlung des Radverkehrs an allen Ecken der Stadt. Besonders ärgerlich ist das bei Neubauprojekten. So müssen Radfahrer auf der neuen Hauptverbindung Altstadt – Stadtfeld am Damaschkeplatz hintereinander gleich über drei Einzelampeln, die mit langen Wartezeiten verbunden sind, während der Kraftverkehr mit nur einer Ampel zügig durchrollt. Dabei sind die Zahlen des Radverkehrs in den letzten Jahren in Magdeburg gestiegen, wie die neue Zählschleife täglich eindrucksvoll dokumentiert. Aber das ist lange nicht genug. Will die Stadt die im Herbst 2019 beschlossenen, verschärften Klimaschutzziele – eine CO2-neutrale Stadt – bis 2035 erreichen, bedarf es einer bewussten Reduktion des automobilen Kraftverkehrs.
Als „Stadt der Radfahrer“ durfte sich Magdeburg bereits bezeichnen, aber das ist ein Jahrhundert her. Der damalige Magdeburger Stadtbaurat a.D., Dr. Ing. Henneking, analysierte 1927 im Buch „Der Radverkehr“, dass „infolge der systematischen Förderung durch die Stadtverwaltung und dem ,Magdeburger Verein für Radfahrwege von 1898‘ die Stadt gigantische Zahlen bezüglich des Radverkehrs aufweist.“ Bis zu 4.000 Radfahrer wurden damals pro Stunde am Verkehrsknoten Breiter Weg/Ecke Alter Markt gezählt.
Andere Städte haben es längst vorgemacht, wie eine Verkehrswende funktionieren kann. Von holländischen Verhältnissen ist das zwar immer noch weit entfernt, doch viele andere Projekte weltweit zeigen vor allem eines: Eine gute Fahrradinfrastruktur ist quasi die Voraussetzung, um mehr Menschen dazu zu bringen, das Auto stehen zu lassen und damit zum Klimaschutz beizutragen. Doch langsam nimmt die Verkehrswende hierzulande Fahrt auf: Gerade hat Verkehrsminister Wissing ein Programm aufgelegt, um Fahrradparkhäuser mit 110 Millionen Euro zu fördern. An dem will sich auch Magdeburg beteiligen und endlich die seit Jahren angedachten Parkhäuser am Bahnhof umsetzen. Klar muss in dem Zusammenhang sein, dass eine Investition in den Radverkehr auch eine Investition in die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer bedeutet. Unklare Verkehrsführungen, Baustellen oder das Zuparken von Radwegen drängen Radfahrer auf den Fußweg oder in riskante Manöver auf der Straße. Häufig enden Unfälle tödlich, wenn abbiegende Autos Fahrradfahrer übersehen. Vor allem für LKW-Fahrer kann der Radler schnell im „toten Winkel“ verschwinden. An Unfallschwerpunkten wie den Ringauffahrten hat der ADFC als Mahnmale sogenannte „Ghost Bikes“ aufgestellt. Aber auch die klassischen Bordfahrwege sind dem ADFC ein Dorn im Auge, da hier Radfahrer leicht übersehen werden. „Die beste Lösung ist, wenn Radfahrer einen ausreichend breiten Fahrstreifen auf der Straße erhalten.“
Die Ausfahrt mit der Bürgermeisterin endete an diesem Tag vor der Volkshochschule in der Leibnizstraße. Dank der vor dem Haus errichteten neuen Fahrradbügel war das Anschließen der Räder hier in großer Zahl möglich. Die frischen Eindrücke der Runde wurden anschließend in der Aula ausgewertet. Und am Schluss machte sich dort in jeder Beziehung eine Aufbruchstimmung breit.