© Forum Gestaltung e. V. Fotograf: Hans-Wulf Kunze, Magdeburg
(Schülerarbeit, anonym) Kentaurenpaar, um 1930 Farblithographie auf Karton Archiv Forum Gestaltung / Sammlung Eisold
Es war noch in Zeiten der barocken Festung, als 1793 in Magdeburg eine Provinzial-Kunstschule fürs künstlerisch tätige Handwerk gegründet wurde. So wie das Bürgertum in jenen Jahren auf mehr Einfluss drängte, war ihre Aufgabe, „den vaterländischen Kunstfleiß zu befördern, dass einheimische Künstler mit geschmackvollen Arbeiten jeder Art den Auswärtigen nicht ferner nachstehen.“
Unter dem Direktorat Emil Thormählens errang die Schule ab 1900 überregionale Bedeutung und konnte sich rühmen, die Umgestaltung des kunstgewerblichen Unterrichtes in Deutschland mit herbeigeführt zu haben. Dem „Bilden der Form“, welches „die eigentliche Schönheit nicht mehr in der Ausstattung mit Ornamenten, sondern in der schönen Gesamterscheinung“ erblickte, in der es „auf gute Proportionen, ausdruckvollen Umriss und eine gewählte Farbenstimmung ankam“, wurde durch eine verstärkte allgemein-künstlerische Ausbildung und die Einführung des Werkstattunterrichtes entsprochen. Die Lehrer waren namhaft. Zu ihnen gehörten der als Produktgestalter tätige Albin Müller oder der für Buchgewerbe und Textil zuständige Ferdinand Nigg aus Liechtenstein.
Ab 1911 übernahm Bildhauer Rudolf Bosselt das Direktorat. Als einer der gedanklichen Väter des „dualen Konzepts“ des Bauhaus-Studienprogramms hatte er schon 1908 gefordert, den Entwerfenden technisch, den Techniker zum künstlerisch Mitempfindenden zu erziehen, und zwar in einer produzierenden, Lehrlinge ausbildenden Werkstatt unter städtischem Patronat. Ganz im Geist neuer Kunstströmungen wie des deutschen Expressionismus war für Bosselt künstlerische Individualität höchstes Gut. Mit der Einrichtung einer an den Empfehlungen des Deutschen Werkbundes orientierten Klasse für Frauenkleidung unter Leitung von Else Raydt war die Schule Schrittmacher auf dem Gebiet und erntete mit Modenschauen Beifall in ganz Deutschland.
Als in den 1920ern der namhafte Gebrauchsgrafiker Wilhelm Deffke die Leitung übernahm, gab es eine grundlegende Modernisierung. Das Wort „Kunst“ verschwand aus dem Programm, die experimentelle Beschäftigung mit Material, Maschine und Form standen im Vordergrund der schulischen Arbeit. Mit der Vision einer Handwerker-Hochschule vor Augen gliederte Deffke sie in einzelne Fachschulen für Grafik, Werbung, Bau- und Ausbau sowie Bekleidung.
In den Zeiten des Nationalsozialismus gleichgeschaltet kam es zur Schrumpfung zur städtischen Handwerkerschule. Als letzter des Deffke-Kreises wurde Walter Dexel 1935 aus dem Dienst entlassen. Als Wilhelm Deffke 1946 wieder auf seinen alten Posten zurückkehrte, versuchte er, personell als auch inhaltlich an Entwicklungen vor 1933 anzuknüpfen. Für die Wiederaufbauausstellung „Magdeburg lebt!“ von 1947 erschuf er ein Phönixmotiv, das sich als Versuch des Neubeginns auf die Schule übertragen ließ. Die Pause zwischen nazistischer und der sowjetischem Vorbild folgenden ideologischen Instrumentalisierung von Kunst und Gestaltung blieb jedoch kurz. Nach dem Tod Deffkes 1950 fand sich zudem keine Leiterpersönlichkeit von überregionaler Bedeutung, die in der Lage gewesen wäre, die Schule aus dem Schatten einer gewissen Provinzialität herauszuführen und damit der 1963 verfügten Schließung zuvorzukommen.
Zu den Veranstaltungsterminen der Ausstellung "ganz modern" im Forum Gestaltung
Forum Gestaltung
Brandenburger Straße 9-10, 39104 Magdeburg
Ausstellungen: Mi bis So, 14 bis 18 Uhr und bei Veranstaltungen