© Helmut Biedermann
Kohlezeichnung Helmut Biedermann
Kohlezeichnung Helmut Biedermann
Das Urgestein Magdeburger Kunst ist zwar magdeburgflüchtig geworden und hat sich im Oderbruch niedergelassen, aber hin und wieder setzt er seine Marke auch noch in der Magdeburger Kunstlandschaft. Jetzt, ab 1. Juni, im Buckauer Engpass, in der Kunstwerkstatt. Nimmt man sich den Steckbrief der Kunstwerkstatt zur Brust, dann will sie künstlerische Arbeit fördern, kunstinteressierten Menschen den Zugang zur Kunst ermöglichen, offenes Atelier sein, Leseecke, Kunstbuch-Bibliothek und so weiter. Merkwürdig: Das trifft aber genau einen Künstler, der wie Biedermann arbeitet, der zeichnet, malt, Skulpturen herstellt, aber auch Bücher. Kunstbücher. Begonnen hat er diese eigene Serie, als er Ludwig Schumanns „magdeburger brevier“ im Café las und der Stift ihm zu jucken begann, bis er schließlich zu jedem von Schumanns narrativen Gedichten im Buch eine dem Gedicht adäquate Illustration gefunden hatte
Zeichnungen aus sechs Jahrzehnten
Per definitionem ist eine Werkstatt ein Raum, in dem die „Ressourcen nach dem Verrichtungsprinzip organisiert und räumlich zusammengefasst“ sind. Der Begriff „Werkstatt“ kann aber auch „eine Zusammenkunft oder eine Lerneinheit sein.“ „Dieser Begriff betont das Lösen von Problemen oder auch das direkte Üben am Thema.“ Das alles spricht dafür, dass Biedermann mit seinen Zeichnungen, die ja „das direkte Üben am Thema“ par excellence sind, in der Kunstwerkstatt genau richtig ist. Von dem 1940 in Halle geborenen Biedermann, über lange Jahre in Magdeburg Theatermaler, kennen wir vor allem Großformatiges. Hier aber lässt er erstmals in eine sehr persönliche Schublade gucken. Zeichnungen sind ja oftmals eher weniger für die Öffentlichkeit bestimmt. In einer Ausstellung aber, die sechs Jahrzehnte seines Schaffens darstellt, gelingt es auf sehr feine, aber auch auf eine untrügliche Weise, die Entwicklung eines Künstlers „nachzuzeichnen“.
Bierdermann ohne Farbe
Biedermann ohne Farbe. Das ist der Biedermann, der schwer vorstellbar ist. Aber Biedermann ohne Farbe, das ist der Biedermann der Stille. Noch schwerer vorstellbar, Stille bei Biedermann. Das macht die Ausstellung spannend. Manchmal stolpert der Betrachter auch über Unvermutetes, über Zeitgeschichtliches. So porträtierte er 1959 mit der „Kunststudentin“ die Mutter Neo Rauchs, eine Studienkollegin. Rauchs Vater war ein Studienjahr über Biedermann. Neo Rauchs Eltern kamen ums Leben, als ein Zug ungebremst in das Mitropa-Restaurant raste, in dem sie gerade saßen und auf ihren Zug warteten. Von 1962 stammen die Bleistiftzeichnungen vom Tanzunterricht in der Paluccaschule, als Ruth Berghaus eine Uraufführung nach Musik von Paul Dessau inszenierte. Die Berghaus zeigte ihren Tänzern diese Zeichnungen mit den Worten: „So wie er euch zeichnete müsst ihr tanzen!“ Es ist eine Premiere. Biedermann stellt erstmals seine Zeichnungen aus. Es ist auch ein Fest.