© Strudelhof
Bernhard Schnur
Ein Mann geht durch die Strassen Wiens. Er sieht die anderen Menschen. Sie gehen ihm auf die Nerven. Sie sind hektisch und hängen an elektronischen Unterhaltungsgeräten. Der Mann aber sucht jemanden, der so fühlt wie er. Er findet diesen Jemand: in den Spiegelungen auf den Scheiben der geparkten Autos.
Das besingt Bernhard Schnur in seinem Lied „Closer“ (von der jüngsten LP/CD „Yol“.) Und er hat schon recht: Es gibt keinen wie ihn. Er ist ein Veteran, der die ewigen Werte hochhält – Melodie, offene Gitarrenakkorde, die Beatles -, und er ist ein Verblüffung auslösender Bühnenentertainer, der kreischen kann wie ein Vogel und röhren wie ein Sumpfmonster. In den 90er-Jahren war er Komponist und Bandleader der Underground-Popper Snakkerdu Densk, und im neuen Jahrtausend hat er seine musikalische Sprache auf bislang drei Platten verfeinert. Man erkennt einen Schnur-Song, wenn man ihn hört: an der Stimme, an der Art, wie sich deren ohrwurmverdächtige Gesangslinien zwischen die Noten der stets heftig schwingenden Gitarrensaiten schmiegen.
Solo mit Gitarre – so tritt er meistens auf und sprengt dabei mühelos die Grenzen des Songwriter-Genres. Weil er nicht zupft, sondern schlägt, weil er seine Hüften zucken lässt, weil er lustig ist und zugleich fast heilig in seiner ernsten Hingabe an das Format Popsong. Sofern man den nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Italienisch, mit Fantasieworten oder mit slawischer Färbung singen kann. Ein Schuss McCartney, ein Schuss Helge Schneider, zwei Schüsse Bernhard Schnur. Gelegentlich hat er auch eine Band, die seinen Liedern die würdige Weite des Cinemascope verleiht.