© Kathrin Singer
David Emig - Johanna
Aus einer Laune heraus hat David Emig den Weg zum Theater gefunden.
Schlecht sitzende Uniform, fettige Haare, absurder Diensteifer – in der Inszenierung „Sonnenallee“ spielt David Emig den ABV mit viel Slapstickkomik, aber nicht als Witzfigur. Man lacht über den ungelenken Staatsdiener, erlebt auf der Bühne aber auch eine „arme Sau“. „Sonnenallee“ erinnert Emig an seinen eigenen Aufbruch nach der Wende.
Der gebürtige Rostocker beginnt 1988 eine Schlosserlehre, die er pünktlich zum Mauerfall abbricht, „um erst einmal abzudampfen“. Der Sohn zweier Schauspieler und Regisseure will den Westen erkunden, wohnt an verschiedenen Orten, auch um der Einberufung zu entgehen, und lernt schließlich in Berlin das Handwerk eines Kartografen. Als die Werkstatt pleite geht, beginnt Emig seinen Zivildienst im Krankenhaus. Schauspieler wollte er anfangs auf gar keinen Fall werden, er kannte den Preis dafür, vor allem von seiner Mutter, mit der er allein lebte: ständig umziehen, keine steten Freundschaften, eine stets abwesende, gestresste Mutter. Eine Frage, die sich auch ihm zunehmend stellt – er lebt mit Freundin und dreieinhalbjährigem Sohn in Stadtfeld.
Das Theatersystem bietet für ein Familienleben keine verlässlichen Bedingungen. Dennoch ruft er damals aus einer Laune heraus vom Krankenhaus aus bei der Berliner Hochschule „Ernst Busch“ an. Wenn überhaupt, dann dort, sagt er sich. Es klappt auf Anhieb und auf einmal ist das der Weg: „Komisch, wenn man da ist, packt es einen, man will es dann schaffen.“ Noch während des Studiums kommt das erste Engagement, die Hauptrolle in „Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen“ von Heinrich Mann am Hans Otto Theater Potsdam. Dort wird er anschließend fest ins Ensemble geholt, bleibt vier Jahre und erlebt einprägsame Lehrjahre. Mit „Ruhe und Liebe“ so formuliert es Emig, sei dort mit den Schauspielern umgegangen worden, er spricht mit großer Achtung von den „DDR Hasen“ Alexander Lang, Martin Meltke und Rolf Winkelgrund, die den Jungschauspieler entscheidend prägen. In Schwerin, wohin er 2002 wechselt, zeigt Emig seine bislang einzige Regiearbeit „Welche Droge passt zu mir?“. Regie führen habe ihn lange nicht interessiert, jetzt aber schon, denn „es werden immer mehr Fragen“, mit denen man sich so künstlerisch auseinandersetzen kann. Den Weg nach Magdeburg fand er kurios. Während eines Vorsprechens an einem anderen Haus nutzte der Schauspieler sein ausgeschaltetes Handy im Spiel. „Als ich es danach wieder einschaltete, war eine Nachricht von Jan Jochymski drauf, ob ich Lust habe, nach Magdeburg zu kommen.“ Das war 2011.
Immer sind es ambivalente Typen, die Emig auf der Bühne verkörpert: Pinneberg in „Kleiner Mann, was nun?“, den rührend um‘s kleine Familienglück besorgten Angestellten, den eitlen Hamletdarsteller Josef Tura, der gemeinsam mit seiner Theatertruppe polnische Untergrundkämpfer vor den Nazis rettet, den stets volltrunkenen Gunnar in „Adams Äpfel“, den Emig so glaubhaft verkörperte, dass Zuschauer ihn fragten, ob er wirklich ein Alkoholproblem habe. Urkomisch und dennoch anrührend auch seine Rolle als verbitterter Rollstuhlfahrer Geirr in „Die Kunst des negativen Denkens“, eine Rolle, die ihm sehr am Herzen liegt, weil sie ihm Gelegenheit gab, mit Rollstuhlfahrern in Kontakt zu kommen. Aktuell erarbeitet er die Rolle des Fleischfabrikanten Mauler in „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“, einen auf den ersten Blick eiskalten, gewinnfixierten Kapitalisten. Emig, den immer auch die Brüche und Widersprüchlichkeiten einer Figur interessieren, sieht das anders: „Diesen Stress, dem solche Leute ausgesetzt sind, halten sie doch höchstens acht, neun Jahre durch, danach kriegen die ‘nen Herzinfarkt. Sie müssen mit Geld umgehen und über Leichen gehen können – das greift natürlich Körper und Seele an. Im Stück begegnet Mauler dann einem ,Wesen‘, Johanna. Die erinnert ihn daran, wieder menschlich miteinander umzugehen.“ Was sich daraus entwickelt, ob und wie sie ernst genommen wird, sei das Spannende an den laufenden Proben zum Stück von Bertolt Brecht, das sich für Emig durch eine große Aktualität auszeichnet.