© Kerstin Schomburg
Zwei Welten prallen in "Timon von Athen" aufeinander: Anton Andreew und Philipp Kronenberg
Die Spielzeit am Schauspielhaus endet furios: mit großem Ensemble auf großer Bühne, gebend ein Drama des wohl bekanntesten Theaterautors aller Zeiten, inszeniert von einem der renommiertesten deutschen Regisseure. Das Stück: eine Abrechnung mit der Unmoral der Menschheit.
Dem Leitungsteam ist es gelungen, nach vielen Jahren Regisseur Andreas Kriegenburg zurück in seine Heimat zu holen, der hier vor Unzeiten seine Theaterlaufbahn als Bühnentechniker begann, bevor er gen Regieolymp aufbrach. Nun inszeniert er eine weitgehend unbekannte, aber, wie er betont, unterschätzte Tragödie William Shakespeares: „Timon von Athen“. Es ist ein Spätwerk des Autors, dem allenthalben abgesprochen wird, seine Stücke selbst verfasst zu haben. Möglich, dass er bei „Timon“ tatsächlich Hilfe hatte, war er doch zur Zeit der Entstehung um 1608 eher mit Immobilien denn mit der Kunst beschäftigt. Kriegenburg gibt zu, es sei im Vergleich „kein gutes Stück“, bleibe skizzenhaft – doch wenn man schürfe, ließe es die unverkennbare Shakespear’sche Tiefe zutage treten.
Timon – gespielt von Ensemble-Neuzugang Rainer Frank – ist der reichste Bürger des antiken Athens. Und „rätselhafter Weise“ der freigiebigste. Er sei „aus der Zeit gefallen“, diagnostiziert Kriegenburg, lebe, obgleich ganz oben in der kapitalistischen Gesellschaft, doch gänzlich andere Werte, vertrete die utopische Weltsicht: Was mein ist, ist auch dein. So verschenkt Timon entgegen der Ratschläge seines Verwalters Flavius und unter Spott des zynischen Philosophen Apemantus sein Vermögen an solche, die er für Freunde hält – bis, ja bis nichts mehr davon übrig ist. Jetzt müssten doch die bisher Beschenkten für ihn einspringen? Denkste. Einer nach dem anderen lässt Timon fallen – und der rechnet ab.
Cut. Zurückgezogen haust Timon in den Wäldern vor Athen, hält sich von allem Menschlichen fern. Beim Graben nach Essbarem findet er – oh, Schicksal! – einen Schatz. Den schenkt er, bis ins Mark enttäuscht und rachsüchtig, dem ebenfalls von den Athenern erniedrigten Feldherrn Alcibiades mit dem Auftrag, die Stadt zu vernichten.
Gemäß der Zweiteilung des Stückes entwirft Kriegenburg, der bei seinen Schauspielinszenierungen auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, für „Timon von Athen“ zwei konträre Räume: einen Reichtum und Bildung ausstrahlenden Salon für die „Bubble der Wohlstandsgesellschaft“, und einen – Cut! – archaischen, dunklen, dreckigen offenen Raum für diejenigen, die sich losgesagt haben.
„Timon kennt genauso wenig Maß im Menschenhass wie vordem in der Menschenliebe“, so Kriegenburg. „Das Stück stellt die Frage, ob es überhaupt eine Chance gibt, philantropisch zu sein. Es hinterfragt die Werte, nach denen unterschiedliche Menschen leben – eine Debatte, die derzeit die Gesellschaft zu spalten droht.“ Selbst in diesem wenig beachteten Spätwerk ist und bleibt Shakespeare also: ein zeitloser Klassiker.
Der Regisseur - Andreas Kriegenburg
Seine Theaterkarriere begann in den 1980ern als Tischler in der Werkstatt des Maxim-Gorki-Theaters. Erste Regiearbeit 1988 in Frankfurt (Oder). Danach preisgekrönter Regisseur auf den Bühnen des vereinten Deutschlands. 2006 kehrte er in die alte Heimat zurück und gab am Theater Magdeburg sein Debüt als Opernregisseur mit „Orpheus und Eurydike“.
Hier geht es zu den Spielterminen von "Timon von Athen" ab 13. Juni im Schauspielhaus
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn