Was macht man mit einer Oper, die eine von Giuseppe Verdis größten Opern ist, die mit wunderbar vielseitigen Musikstücken und einer herzzerreißenden Geschichte von verbotener Liebe á la Romeo und Julia in ihren Bann zieht? Es wäre doch viel zu einfach, eine klassische Inszenierung zu wagen, also die Geschichte um Liebe und Krieg dort zu lassen, wo sie auch angesiedelt ist: in Ägypten. Der britische Regisseur Oliver Mears wollte scheinbar mit seiner Inszenierung von Aida am Theater Magdeburg ein Ausrufezeichen setzen. Was fischt er sich bei seiner Interpretation des Stückes heraus? Den Krieg.
© Nilz Böhme
Aida
Aida im Streitgespräch mit Amneris: Kristina Kolar und Lucia Cervoni
Warum auch nicht liegt nahe bei der Geschichte des Stückes. Die ist schnell erzählt: Die äthiopische Königstochter Aida wird als Geisel nach Ägypten verschleppt. Es entsteht eine verbotene Liebe zwischen dem ägyptischen Heerführer Radames und der Königstochter. Er muss sich entscheiden zwischen seiner Liebe und der Loyalität zu seinem Pharao. Daran hat Mears nichts verändert, nur das Setting ist ein vollkommen anderes.
Erschreckende Bilder einer Gegenwart
Sand rieselt vom Himmel. Ein kleines Lagerfeuer brennt in der Mitte der Bühne, im Hintergrund überragt ein großes Soldatenbild das Szenario. Vielmehr Ägypten gibt es bei Mears nicht in der Anfangsszene. Er setzt auf imposante Bilder, die sich entfalten sollen. Ein Kriegsrat wird abgehalten, man lernt den Priester Ramfis kennen, der wird in seiner konservativen ja fast steifen Art grandios von Johannes Stermann verkörpert. Er bringt in seiner Art der Darstellung etwas Erhabenes mit, was dieser blutrünstige, kalte Priester einfach braucht. Schließlich muss der Priester den veralteten Götterglauben nach außen vertreten, das mit aller Konsequenz. Der ist bei Mears mit der Geburt verknüpft. Statt der Göttin Ptah sieht man in der Tempelszene ein übergroßes Bild von einer Mutter mit einem Kind, wo das Kind zum heiligen Gral erhoben wird. Die Geburt wird als Ereignis zwischen betongrauen Ratsitzungen gefeiert. Es ist ein erschreckendes Bild einer Gegenwart, die man sich (vor allem als Frau) nicht vorstellen möchte. Kinder werden ihren Müttern nach Schwangerschaft entzogen, die Babys bekommen Orden. Die nachfolgende Kriegsgeneration ist gesichert.
Mears bleibt seiner Interpretation auch beim Triumphmarsch treu
Bei Mears steigert sich die dramatische Kurve noch einmal beim populären Triumphmarsch. Dass das zum Gesamtkontext passt, muss man sich erst einmal ins Gedächtnis rufen. Von der Ägypten-Idee sollte man sich da schon längst verabschiedet haben, sich einfach auf diese abstrakte Kriegswelt einlassen. Es ist alles stimmig, in sich geschlossen gut präsentiert. Trotzdem wirkt die überzogene Kriegswelt kontraproduktiv, wenn Verdis Partitur exotische Klänge im Tempel freigibt, ja selbst wenn der Triumphmarsch vor einer Aussichtsplattform und gleichgeschalteten Bürgern zu einer Farce militärischer Symbolkraft wird. Da dürfen Kindersoldaten mit übergroßen Raketenwerfern natürlich nicht fehlen. Das muss wohl so sein, seiner Interpretationslinie bleibt Mears dabei treu und überhaupt: alles ist perfekt auf das Kriegsthema abgestimmt. Trotzdem muss man sich immer wieder fragen, wird das so einer großartigen Oper gerecht? Nicht umsonst ist Verdis drittes Stück eines der meistgespielten Repertoirestücke des Italieners.
© Nilz Böhme
Aida
Der Triumph des Krieges
Kristina Kolar überzeugt als Aida
Die emotionalen Momente dieser Romeo und Julia Story sind frei von jeglicher Bildgewalt, wie etwa, als Kristina Kolar als Aida über die Aussichtslosigkeit ihrer Liebe zu Radames singt. All das transportiert sich nicht nur mit ihrem Sopran. Es ist ihr ins Gesicht geschrieben, auch körperlich geht sie vollkommen mit. Sie ruht sich in ihrer Darstellung nicht auf Verdis starken Melodien aus und so zieht sie das Publikum noch viel mehr in ihren Bann. Highlight ist sicher das sprachliche und gesangliche Duell zwischen ihr und ihrer Konkurrenz Amneris. Da wechselt Kolar von der stolzen ägyptischen Prinzessin wieder zur unterwürfigen Sklavin und man glaubt es ihr. Ihre Gegenspielerin wird von Lucia Cervoni so schön arrogant, aber auch verletzlich gezeigt.
Die Musik wird von der Magdeburgischen Philharmonie unter der Leitung von Svetoslav Borislav wunderbar gespielt. Die trägt die Bilder von Mears meistens, manchmal aber auch nicht, weil sich einige von Verdis exotischer Klänge nicht mit den großen Bildern von Mears vereinen wollen. Erinnern wir uns an den Triumphmarsch, wo sich Kindersoldaten zu exotischen Schleiertanzmelodien bewegen. Muss das sein? Diese Inszenierung sollte man frei von jeglichen Erwartungen, frei von Ägypten sehen, denn das was Mears auf die Bühne gebracht hat, ist martialisch, bildgewaltig. Vielleicht wollte er auch zu viel, die Kriegsthematik wirkt oft doch etwas überzogen. Verdis Musik kann man sich dank großer Solisten wie der bulgarischen Sopranistin Kristina Kolar als Aida und Marc Heller als Radames trotzdem ohne Scheu hingeben.
© HL Böhme
Opernhaus/Theater Magdeburg
Universitätsplatz 9, 39104 Magdeburg
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