© Kerstin Schomburg
Robert Lang-Vogel und Isabel Will sind Teil der Inszenierung "Jagdszenen"
„Deswegen, weil die immer reden und reden und reden, diese Leut, deswegen kriegst Du das Kind“, schreit Abram es Tonka in seiner Verzeiflung entgegen. Die keilt zurück: „Eine schwule Drecksau bist du!“ Das ist erst der Anfang: Die derbe Sprache und überhaupt die Geschichte der beiden Außenseiter, die gern dazugehören würden zur Gemeinschaft, zu den anderen Menschen, diese die Meute der Angepassten.
Als Martin Sperr 1965 seine „Jagdszenen in Niederbayern“ auf die Bühne brachte, war das blanke Provokation für die Gutbürgerlichen. Sperrs Stück spielt in den 1950ern, kaum ein Jahrzehnt nach Ende des Kriegs und machte ihn angesichts der Brachialität, mit der er dem braven Publikum den Spiegel vorhält und aufzeigt, dass der gesellschaftliche Nährboden Nazideutschlands immer noch existiert, auf einen Schlag als Vertreter des „neuen kritischen Volkstheaters“ bekannt.
Es ist die Geschichte von Außenseitern in einer erzkatholischen Dorfgemeinschaft: Als Abram, der wegen Homosexualität zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, nach Reinöd kommt, ist sich das Dorf einig: Er soll wieder weg. Sogar seine Mutter schließt sich dem Wunsch an – vielleicht hört dann das Gerede über sie endlich auf. Nur die lebenslustige Tonka will, dass er bleibt, aber im Dorf gilt sie als Hure. Weil Abram nicht gehen will, so gern dazugehören möchte zur Gemeinschaft, beginnt aus dem Gefühl moralischer Überlegenheit eine Jagd auf die Andersartigen und so setzt sich eine Spirale zunehmender Gewalt in Gang.
Julia Prechsl, geboren im Niederbayrischen, hat sich mit dem Stoff seit Jahren auseinandergesetzt. Wenn sie ihn jetzt am Schauspielhaus inszeniert, dann „weil diese Dorfgemeinschaft, in der extreme Bigotterie herrscht, überall sein kann. Und gerade Homophobie ist immer noch Teil unserer Gesellschaft.“ Letztlich stellt Sperr mit seinem Stück die Frage, was Gemeinschaft bedeutet, was gemeinsame demokratische Werte. „Und er zeigt auf, was passiert, wenn man andere abwertet, um sich selbst aufzuwerten“.
Die Schutzlosigkeit und gleichzeitige Enge des Ortes spiegelt sich im Bühnenaufbau von Valentin Baumeister wider. Ganz wie der Ackerboden ums Dorf ist die Bühne mit einer Erdschicht bedeckt. Dank beweglicher Wände aus halbdurchsichtigem Milchglas kann sich keine Figur unsichtbar machen, es ist die Entsprechung für das permanente unter Beobachtung stehen aller im Dorfe.
Hier geht es zu den Spielterminen von "Jagdszenen" in Schauspielhaus, Premiere: 9. September
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn