© Nilz Böhme
Cornelia Crombolz
Was erwartet das Publikum bei „Düsterbusch“?
Crombholz: Viel Musik und eine wunderbare Story. Kühnes Roman liest sich wie ein modernes Märchen, spiegelt aber dennoch Wirklichkeit: Ein junger Mensch baut in dem kleinen Kaff in der DDR, in dem er wohnt, einen Szene-Club nach Londoner Vorbild auf, um den Ort, in dem er lebt, bunter und knalliger zu gestalten und nach seinen Vorstellungen zu verändern. Das fand ich für meine letzte Produktion in Magdeburg ein super Statement: Es ist völlig gleichgültig, wo man arbeitet und gestaltet. Man kann es überall machen, Hauptsache, man hat eine Vision, Lust dazu und träumt nicht ständig davon, woanders hinzugehen.
Sie sind als Regisseurin viel herumgekommen. Was hat Sie damals bewogen, sich für fünf Jahre in leitender Position fest an ein Haus zu binden? Und warum fiel Ihre Wahl auf Magdeburg?
Ich hatte 27 Jahre gastiert. Da findet man Umstände, Arbeitsbedingungen und Schauspieler vor, wie sie an dem jeweiligen Haus eben sind. Ich hatte den Wunsch, entsprechend der jeweiligen Situation Theater und Spielpläne selbst zu gestalten und die Leute einzuladen, mit denen ich gern arbeiten möchte. Das Angebot aus Magdeburg kam von Karen Stone. Wir kannten uns aus unserer gemeinsamen Zeit in Graz. Wir hätten uns schon damals eine Zusammenarbeit vorstellen können. Das war eine gute Voraussetzung, sich mal so etwas zu trauen.
Kamen Sie mit einem bestimmten Konzept? Hat sich das im Laufe der Jahre verändert?
Ich komme aus einer anderen Gesellschaftsordnung als die, in der ich jetzt lebe. Ich wollte für mich so etwas wie eine Standortbestimmung machen. Ich wollte sehen, wo die Menschen meiner Generation stehen, was uns verbindet und welchen Blick wir von der Welt, aus der wir kommen, auf die heutige Gegenwart haben. Das zu realisieren, habe ich versucht. Natürlich hat sich einiges variiert, aber verändert hat sich grundsätzlich nichts. Ich denke, man kann immer nur aus der Position, durch die man kulturell geprägt ist, agieren und künstlerisch arbeiten.
Sie stammen aus Halle. Drei Mal in Ihrer Zeit hier widmeten Sie sich Stücken mit deutlicher DDR-Thematik: Zu Beginn brachten Sie „Spur der Steine“ auf die Bühne, später, auch als Uraufführung, die Dramatisierung von „Kruso“ und jetzt ebenfalls als Uraufführung „Düsterbusch“, ein Thema aus der Endphase der DDR. Verstehen Sie sich als ostdeutsche Regisseurin?
Ja, insofern ich eine besondere Antenne für ostdeutsche Themen habe, aber ich bin zugleich auch global, weil ich mich ständig für alles interessiere. Ich habe 23 Jahre in der DDR verbracht. Und ich merke, je länger ich in dem neuen System lebe, wie mich das geprägt hat, auch meinen Blick auf Heutiges. Ich bin dafür dankbar, was nicht heißt, dass ich da etwas wiederhaben möchte. Ich bin dankbar für die Erfahrung, die mich extrem sensibilisiert hat für das, was in meiner Umgebung und der Gesellschaft passiert. Das ist auch mein Antrieb, mich mit den Dingen zu beschäftigen, mit denen ich mich beschäftige.
Hat das Theater Ihrer Meinung nach einen deutlich gesellschaftspolitischen Auftrag?
Ja, es hat einen gesellschaftspolitischen Auftrag, aber ich finde nicht, dass es einen erzieherischen hat. Ich sehe den Auftrag als Aufruf, sich mit den Dingen, die gerade akut sind, zu beschäftigen und das ist a priori politisch gerade in der Zeit, in der Theater jeweils stattfindet.
Wie sehen Sie Ensembletheater im Vergleich zu Freien Theatern, die viel größere finanzielle Probleme und gar nicht die Chance haben, kontinuierlich etwas aufzubauen?
Natürlich, in der Institution ist der Beruf abgesichert, aber das kann gar nicht mehr mit Freude gustiert werden. Es muss gespart werden. Die Ensembles werden immer kleiner. Die Schauspieler arbeiten immer mehr, müssen immer mehr Produktionen stemmen. Am Ende der Spielzeit sind sie erschöpft. Das schlägt sich auf ihre kreative Lust genauso nieder wie bei jemandem, der die ganze Zeit um Geld kämpfen muss. Ich glaube, dass es immer enger wird auf beiden Seiten.
Wie sehen Sie die Zukunft? Gehen in 20 Jahren noch Leute ins Theater?
Das wird sehr problematisch. Wir sehen das ja bereits. Gesellschaft verändert sich: Durch die sozialen Medien, die Leute lesen weniger, informieren sich anders und schneller usw. Das hat Auswirkungen auch auf das Theater. Die Theater kommen in immer größere Erklärungsnot. Der Kampf darum, ob für so wenige Leute so viel Geld auszugeben ist, der wird immer stärker stattfinden. Also, was kann man ändern, was nicht, und welche Konsequenzen hat das. Ich glaube nicht, dass Theater verschwindet, aber es wird immer mehr etwas Liebhabermäßiges, was sich nur eine bestimmte Klientel leisten kann. Das institutionelle Theater, so wie wir es haben, muss richtig nachdenken.
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn