© Kathrin Singer
Anton Andreew als geckenhafter Teufel, Iris Albrecht als Meister Röckle
Lesekurse zu Karl Marx‘ „Kapital“ seien momentan en vogue, meint Christian Tschirner, die eine Hälfte des Regie-Duos „les dramaturx“, nachdem er selbst an einem teilnahm. Das läge maßgeblich an der Erstarkung der Klimabewegung sowie des Feminismus. So! Damit wäre grob der Horizont umrissen, den „les dramaturx“ in ihrer zweiten Arbeit am Theater Magdeburg, „Meister Röckle“, aufspannen wollen.
Moment. „Meister Röckle“? War das nicht ein DEFA-Märchen-Film mit Rolf Hoppe, der ganz in der Nähe (konkret gesagt: in Quedlinburg) gedreht wurde? Und der wiederum auf dem schmalen Kinderbüchlein von Ilse und Vilmos Korn basierte? Genau. Denn das Ehepaar Korn war bei der Recherche für seine Marx-Biografie auf den Bericht von Marx-Tochter Eleanor gestoßen, nach dem der große Karl seinen Töchtern ebendiese Geschichte zur guten Nacht erzählt haben soll. Die Korns haben sie weitererzählt. Und nun ist die Reihe an „les dramaturx“.
Meister Röckle ist ein Spieler, ein großgewordenes Kind, süchtig nach Neuem. Das ist gefundenes Fressen für den Teufel, der vor der Herausforderung steht, die Langeweile seiner Großmutter zu lindern. Es kommt zum Pakt: Röckle erhält die Fähigkeit, alles nur Denkbare zu erfinden – der Teufel darf davon haben, was ihm (oder der Oma) gefällt. Während Röckle nun darauf aus ist, mit seinen Erfindungen das Leben seiner Mitmenschen zu verbessern, hat der Teufel nichts Anderes im Sinn, als sie zu monetarisieren. Er wird zum Unternehmer, die Erfindungen zum Desaster – bis, ja bis ...
Nun, an der Frage, wie sich der Teufel, äh Kapitalismus aufhalten ließe, haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Einige von ihnen kommen in der Fassung von les dramaturx auch zu Wort. Zunächst einmal die Leibhaftigen: Marx und Engels. Dann die Schauspielenden. So wie Iris Albrecht, die den Röckle gibt – und schon damals beim Filmdreh in Quedlinburg irgendwie dabei war. Und sogar die Regieführenden: Es ist ein Spielprinzip von les dramaturx, nicht nur selbst mit auf der Bühne zu stehen (live musikmachend oder Hoola-Hoop-kreisend zum Beispiel), sondern immer auch die eigenen Anknüpfungspunkte an das Sujet einzubringen. So wirken sie auch Denkerinnen wie etwa Silvia Federici in ihre Fassung ein, die den Kapitalismus als reaktionäre Antwort auf die antifeudalen Befreiungskämpfe des späten Mittelalters mit Höhepunkt in der Hexenverbrennung interpretiert.
Bei all dem bleibt das Schlichte, Volkstümliche und Zauberhafte des Märchens im Vordergrund, verspricht Lynn Takeo Musiol, die zweite Hälfte von les dramaturx: „Wir nennen unsere Inszenierung ein politisches Märchen für Familien und Wahlfamilien.“ Das Schauspielhaus setzt sie ab 15 Jahren an, aber les dramaturx ermutigen: „Geht ruhig auch mit euren jüngeren Kindern rein.“ Denn trotz Kapitalismuskritik bleibt reichlich Raum für Klamauk – und wer könnte dem Spiel mit so wunderbaren Erfindungen wie einem unsichtbaren Hund oder Pupssocken widerstehen?
Hier geht es zu den Spielterminen von "Meister Röckle" im Schauspielhaus, Premiere: 1. April
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn