© Wegscheidler
Manuel Czerny Bürger Bühne
Welche Intentionen verfolgen Sie mit der Gründung einer Bürgerbühne?
Das Bürger Ensemble Magdeburg zeigt die Wahrheit der teilnehmenden Einzelpersonen und verwebt die Biographien durch Gruppenarbeit, so dass Menschen zusammenkommen, die sich vielleicht nie getroffen hätten. Was sie zu sagen haben, hinterfragt den aktuellen Theaterspielplan. Denn es sind die Lebensthemen, die für die Teilnehmer wirklich von Belang sind, die bei der gemeinsamen Arbeit widersprüchlich behandelt werden sollen.Was unterscheidet das Bürger Ensemble vom bereits bestehenden „Generationentheater“?# Wir spielen kein vorgegebenes Stück, sondern suchen nach dem großen aktuellen Epos, das die momentan in Magdeburg lebenden Menschen verbindet. Die Inhalte kommen von den Mitwirkenden. Zusätzlich ist es eine ständig wachsende Gruppe, die im Lauf der Spielzeit offen auf noch unbeteiligte Menschen zugeht, sich etappenweise präsentiert und so von außen neue Impulse aufnehmen kann.
Welche Anregungen und vielleicht auch neue Inspirationen erhoffen Sie sich von den „echten“ Menschen auf der Bühne?
Ich nehme mir viel Zeit, um mich den Biographien ernsthaft zu nähern. Ich bin gerne ein Forscher, man lernt hier unglaublich viel über sich selbst und vor allem über Aufrichtigkeit und Mut. Kreativ werden kann ich, wenn ich die Facetten der Menschen und der Gruppe einigermaßen kenne. Eine gewöhnliche Schauspielproduktion würde über das Konzept zu den Spielern gelangen, bei uns ist es umgekehrt. Grenzlinien und Zusammenhänge der Truppe können dann für Reibung sorgen und den künstlerischen Prozess in Gang setzen.
Arbeiten Sie ausschließlich mit Laien?
Wir werden bestimmt in Kontakt mit den Schauspielern des Hauses treten, man kann immer von Gegensätzen profitieren. Aber das Bürger Ensemble Magdeburg ist die Bühne der nicht professionellen Lebensdarsteller. Mich interessiert, wie wir uns alle im Alltag selbst inszenieren, wie wir uns sehen wollen und wie wir uns in unserem Lebens-Drehbuch mit ganz individueller Spielweise rückwärts und vorwärts bewegen.
Tanz spielt eine große Rolle in Ihrer Vita. Das lässt den Schwerpunkt auf einer großen Körperlichkeit der Darstellung vermuten. Welche Voraussetzungen müssen interessierte Mitspieler mitbringen?
Ich bin als Kind mit nonverbalen Stücken gestartet und komme über die Körpersprache zum biographischen Theater, für mich ist deshalb in jeder Arbeit der natürliche Ausdruck der Menschen die schönste erdenkliche Basis. Wir sind keine Tanzshow, aber die Herausforderung einer gemeinsamen Szene aus Gesten statt Worten straft jedes „Ich bin ein Antitalent“ Lügen. Immer geht es darum, sich auszudrücken. Das gilt auch fürs Schreiben eigener Texte oder fürs Sprechen über sich selbst – wie viel Energie hier frei wird, wissen wahrscheinlich die wenigsten. Mit zwei Treffen pro Woche ist zu rechnen, meistens nachmittags und abends, am Wochenende auch tagsüber.
Bürgerbühnen gibt es seit den Vorläufern in Freiburg und Dresden landauf, landab. Wie erklären Sie sich den enormen Zulauf?
Die Menschen möchten sich beteiligen, sie möchten ihre Kenntnisse einbringen. Das ist ein Solidaritätsbeweis gegenüber dem Theater. Außerdem kann ein Bürger Ensemble auch Stadtbewohner erreichen, die das Theater vielleicht noch nicht als etwas Lebensveränderndes wahrgenommen haben. Das Theater der Antike hat das Publikum, salopp gesagt, mit Lebenstipps versorgt. Wenn heute Menschen aus der Stadt wieder auf die Bühne treten und über sich sprechen, weiß der Zuschauer, dass er nicht allein ist.
Startschuss Bürger Ensemble Magdeburg, 12. Oktober, 15-19 Uhr, Schauspielhaus