© Nilz Böhme
Warum überlebt Michailo Gurman nicht?
Starke Emotionen: Katharyna Vyshneva als Anna
Einer leidet immer, wenn es um es ein Liebesdreieck geht. Ob in Film, ob Literatur oder im Theater - es ist ein Motiv, was Probleme und vor allem Emotionen erzeugt. Der Zuschauer wird quasi in die Geschichte hinein gesogen. Bei Pavlo Aries Stück "Warum überlebt Michailo Gurman nicht?" ist allerdings nicht so deutlich, welcher der Protagonisten mehr leidet. Michailo liebt Anna, doch der Vater ist gegen diese Verbindung. Nun gelingt es dem Vater dank eines befreundeten Militärs, das Michailo eingezogen wird. Der Krieg ruft. Als Anna einen gefälschten Brief vom Tod ihres Geliebten bekommt, willigt sie in die Heirat mit dem deutschen Werkstattbesitzer Nikolaus ein, der illegal billige Arbeitskräfte aus der Ukraine beschäftigt. Dann erkennt Anna auch noch in einem der Gastarbeiter ihren verloren geglaubten Michailo. Das Chaos beginnt.
Für die Uraufführung dieses wirklich interessanten Stoffs am Schauspielhaus versammelte der ukrainische Regisseur Stas Zhyrkov ein europäisches Ensemble um sich. Die ukrainischen Schauspieler Kateryna Vyshneva (Anna) und Mykola Bereza (Michailo) sowie Ensemblemitglied Timo Hastenpflug (Nikolaus) zeigen uns, was diese fatale Dreiecksbeziehung für Folgen hat. Wie inszeniert man das nun? Stas Zhyrkov lässt die Figuren Anna, Michailo und Nikolaus in einem minimalistischen Bühnenumfeld aufeinandertreffen. Es sind offene Installationen - Türen gibt es keine. Das eröffnet viele Möglichkeiten, um immer wieder neue Spielorte entstehen zu lassen. Stas legt viel Wert auf die Interaktion zwischen den Charakteren, auf die Psychologie dieser unangenehmen Situation. Auf die Heirat von Anna und Nikolaus deutet nur ein leuchtendes Kreuz hin, das im weiteren Verlauf über allem steht. Warum auch nicht, immerhin ist die ukrainische-orthodoxe Kirche in der Ukraine führende Religion, in Deutschland ist es das Christentum.
Gesprochen wird mal Englisch, Deutsch, mal ein Mischmasch und natürlich auch Ukrainisch. Es ist ein Sprachen-Wirrwar, was die Kommunikation zwischen diese Liebesdreiecks noch schwieriger werden lässt, aber auch die Multikulturalität sehr gut untermauert. Übertitel helfen beim Verständnis des Ukrainischen. Manchmal ist es auch Timo Hastenpflug, der die Rolle des Übersetzers übernimmt, um die ukrainischen Passagen greifbarer zu machen. Aber wie! Hastenpflug spielt mit seiner Stimme, wird mal lauter mal leiser verstärkt die eher bizarr wirkende Darstellung der fremden Worte mit treffenden Gestiken. Auch sonst möchte man sagen, endlich hat er zum Abschluss seiner Zeit am Schauspielhaus Magdeburg mal wieder eine Rolle bekommen, in der er sich schauspielerisch und körperlich richtig ausleben kann. Das liegt ihm, erinnern wir uns an "Fette Männer im Rock", wo er den stotternden Jungen gespielt hat, der mit seiner Mutter auf einer einsamen Insel strandete und verrückt wurde. Ihm gelingt es die Unentschlossenheit seiner Figur auf den Punkt zu bringen. Verletzlich, wenn er von seiner Liebe zu Anna spricht, andererseits aggressiv wenn er von seinem Mitkonkurrenten im Autogeschäft spricht.
An seiner Seite spielt die ukrainische Schauspielerin Katheryna Vyshneva, Anna, eine Frau, die immer wieder zwischen den Rollenbildern wechselt. Mal ist sie die brave deutsche Ehefrau, die ihrem Mann hörig ist. Ja, sie wirkt fast schon zerbrechlich, wenn sie in gebrochenem Deutsch immer wieder versucht gegen die aggressive Art ihres Mannes anzukommen. Als Michailo auftaucht wird diese innere Zerrissenheit noch intensiver, wenn Anna das Ehebett verlässt (Achtung, ein Teppich!) und zu Michailo geht. Kommentiert wird das an dieser Stelle nur auf ukrainisch, der Zuschauer wird so zum Wissenden dieses perfiden Dreiecks. Mitleid will man mit keinem der Drei haben. Auch gerade weil Michailo von Mykola Bereza mit so einer intriganten Grundstimmung gespielt wird, als er ruhig auf dem Tisch sitzt und dabei ein hämisches Lächeln seine Lippen umspielt. Er weiß, dass seine große Liebe zu ihm zurückkehrt.
All dem kann man gut folgen, von der Heirat zwischen Anna und Niklas über die gemeinsame Zeit in Deutschland, bis hin zu Michailos Auftauchen. Und dann verstrickt sich die Geschichte immer weiter in Unklarheiten, wo die Motivationen der Figuren nicht ganz klar wird. Warum lässt es Anna zum Beispiel zu, dass sie eine Dreiecksbeziehung mit Michailo und Niklas öffentlich führt? Was hält sie lange Zeit davon ab, sich nicht von einem der beiden zu lösen? Am Ende steht eine sehr emotionale Rede Annas, die das Stück beendet. Michailo Gurman lebt weiter.
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn