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© Andreas Lander
Die Gruppe ist der Star
Ensemblenummer beeindrucken mehr als manche Einzelleistung beim diesjährigen Domplatz OpenAir "Hair"
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Überall Love & Peace
Erik Petersen ist es gelungen den Domplatz eindrucksvoll in Szene zu setzen.
Love, Peace und ja, was eigentlich noch? Gegen Krieg, Rassismus und für die Legalisierung von weichen Drogen. Das waren die siebiger Jahre in den Vereinigten Staaten. Veraltet? Nicht im Leben, heute müssen wir wieder kämpfen - vor allem gegen Rassismus und für die Liebe. Das zeigt auch der Magdeburger Regisseur Erik Petersen in seiner ersten Domplatz OpenAir Inszenierung von Hair.
Baustelle als Schauplatz
Bunte und schrille Kostüme (Dagmar Morell) und vor allem eins: lange Haare bewegen sich bei Petersen nicht auf einer riesigen, grünen Wiese - die Hippies um Freidenker Berger haben ihr neues zu Hause im Schatten einer riesigen Baustelle gefunden. Im Bühnenbild von Jens Kilian treffen Gegensätze aufeinander: auf dem Boden der Tatsachen, die Hippies, die gegen Kapitalismus sind. Die Reichen, durch die New York in den 70er Jahren Stück für Stück das heutige Gesicht bekommt, stehen oben auf. Sie schauen herab auf das, was sich dort unten abspielt. Nur Sex, Drugs und Rock ' n ' Roll - möchte man meinen. Doch irgendwie geht es um viel mehr, jeder aus dem Tribe hat seine Geschichte - auch seine Erfahrung mit Rassismus gemacht. Die Gruppe gibt Halt, viel weniger als Claude von seinen neureichen Eltern bekommt.
Newcomer Rekeszus berührt
Claude, der junge, neugierige, offene Mann, der wird von Musical-Newcomer Jan Rekeszus dargestellt. Er passt in die Rolle. Ihm gelingt es den Wandel eines unbedarften, aber neugierigen Nachwuchskapitalisten zum Neu-Hippie glaubwürdig dazu stellen. Da ist zum Beispiel diese Naivität und Neugierde, die schon am Anfang da waren, ihn aber auch bis zur grausamen Realität des Vietnamkrieges nicht verlassen haben. Vielleicht ist es das, vielleicht es auch der Umstand, dass er sich so glaubhaft in das Tribe integriert hat, dass dessen überraschende Fehlen im Tribe, tatsächlich berührt.
Ein energiegeladenes Ensemble, keine Solisten
Insgesamt ist es gelungen ein in sich stimmiges Ensemble zu finden. Ja, Ensemble - auch wenn bekannte Namen der Musicalszene wie Ana Milva Gomes neben denen von aufstrebenden Newcomern stehen. Das Tribe funktioniert, es sprüht vor Energie und das tragen die Darsteller auch bis in die letzte Zuschauerreihe. Wortwörtlich, denn die Bühnensituation wieder gerne mal wieder aufgeschmolzen, wenn Darsteller die Tribühne zu den Brettern machen, die die Welt bedeuten, machen, beim Song "Hair" zum Beispiel. Plötzlich ist das Publikum mittendrin, wenn Gil Ofarim als Berger die Schönheit von langen Haaren besingt. Da kann er richtig rocken, das kann er. Bei seinem Solo-Song wirkt seine etwas blass, wenn er durch die Etagen des Bühnenbildes turnt, mal mit einem Astronaut in die Höhe steigt. Da wirkt alles andere drum herum spannender, auch weil er gegen das Tempo und die Lautstärke des Orchesters vom musikalischen Leiter Damian Omansen nicht ankommt.
Mehr Musiker, mehr Wirkung
Sonst funktioniert das Zusammenspiel von Orchester und Ensemble, auch die zusätzlichen Orchestermusiker tun dem Musical gut. Ohrwürmer, theatralische Balladen hat Hair zwangsläufig nicht viele zu bieten. Das macht die Orchesterierung von Omansen wieder wett. Er mischt verschiedenste Stile, gibt dem Tempo des Musicals gleich noch einen anderen Fluss. Bei den großen, privaten Musicalinszenierung gibt es den Trend die Orchester aus finanziellen Gründen zu schrumpfen. In Magdeburg gibt man eine kompositorische Erweiterung in Auftrag. Chapeau! Musical lebt nicht allein von Kostümen, Bühnenbild und natürlich den Darsteller. Musical braucht die musikalische Führung eines lebendigen Orchesters, nicht die aus der Konserve.
Mut zum Unbekannten fehlt
Fest steht, es ist wieder gelungen in Magdeburg ein spannendes Musicalerlebnis auf die Bühne zu stellen, auch wenn man sich mehr Mut zur Lücke wünscht und auch wieder fernab von Klassikern wie "Hair" und "Westside Story" wildert. Magdeburg hat sich einen Ruf erarbeitet, der wird nicht verschwinden, wenn man mal etwas wagt. Die Leute wollen tolle Inszenierungen sehen, aber auch Musicals OpenAir sehen, die den Weg sonst nach draußen nicht finden. Da muss man nur an Titanic denken. Es geht alles, wenn man will.