© Conrad Engelhardt
Foxfinder
Konradin Kunze inszeniert „Foxfinder“ als Parabel auf den totalitären Überwachungsstaat
Willkommen in einem ländlich biederen Landstrich irgendwo in England. Alles könnte in Ordnung sein, aber wie Mehltau hat sich die wirtschaftliche Krise über das Land gelegt. Und an allem soll der Fuchs schuld sein. Ihn macht der Staat verantwortlich für die malade Entwicklung. Er wird zum Bösen erklärt. Und um dieses Böse zu bekämpfen, setzt der Staat alle Mittel ein, vor allem totale Kontrolle. Es ist eine düster-unheimliche Welt, die die junge britische Autorin Dawn King da entworfen hat. Ihr Stück „Foxfinder“ ist zunächst eine Fiktion, zeitlich eher in einer mehr oder minder fernen Zukunft verortet, aber es könnte auch im Heute spielen.
Wo ist für Regisseur Konradin Kunze der Kern des Stückes?
„Es geht um Kontrolle, um Überwachung, es geht aber auch um die Frage, was Wahrheit ist? Oder noch deutlicher: ,Wer bestimmt eigentlich, was ,Wahrheit‘ ist.“ Zur Geschichte: Das Ehepaar Samuel und Judith Covey, schockiert vom plötzlichen Tod ihres Sohnes und verzweifelt wegen der schlechten Ernte, wird zur Zielscheibe des jungen „Foxfinders“ William Bloor, der sich zum Zwecke seiner Ermittlungen bei ihnen einquartiert. Schuld an allem Elend ist der Fuchs, Todfeind der Menschen. Er kontaminiert die Bauernhöfe, beeinflusst das Wetter, manipuliert den Verstand und tötet unschuldige Kinder – für Bloor gibt es daran keinen Zweifel. Die Besessenheit des ominösen Foxfinders destabilisiert das soziale Dorfgefüge und führt schnell zu Misstrauen bis hin zu gegenseitigem Verrat der befreundeten Höfe. Den unschuldigen Samuel treibt es zunehmend in den Wahnsinn…
Permanente Überwachung durch die Zuschauer
Um das körperliche Gefühl der permanenten Überwachung erlebbar zu machen, hat sich Kunze für seine Magdeburger Inszenierung entschieden, die Zuschauer in einem Ring um die Bühne zu platzieren. Dramaturgisch ist das eine Herausforderung, denn die vier Schauspieler, zwei Frauen und zwei Männer, müssen so quasi in alle Richtungen spielen, muss das Stück aus jeder Blickrichtung erfahrbar sein. „Wir benutzen kein realistisches Setting, weil der Text, die Sprache des Stückes, allein mehr kann.“ Die Bühne ist als stellenweise eingebrochener Bretterboden angelegt, eine fragile Fläche als metapher auf das eigene Leben, eine Fläche, auf der man jederzeit einbrechen kann und im übertragenen Sinn versinken kann. Nichts ist sicher für den Einzelnen in diesem Land.
So skizziert „Foxfinder“ ebenso parabelhaft die Tendenz zum alles kontrollieren wollenden Überwachungsstaat, verbunden mit den Ängsten des Einzelnen, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren. „Sicher muss man da differenzieren“, sagt Konradin Kunze, „zwischen einem totalitären System hier und der heutigen Situation. Ich habe da Assoziationen zum Dritten Reich.“ Ein aktueller Blick etwa in die Türkei zeigt aber, wie schnell sich Situationen ändern können und wie der Mensch seinem Mitmenschen ein Feind oder besser: ein Fuchs sein kann.
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn