© Andreas Lander
Das Mädchen mit den Streichhölzern
Plötzlich, da geht das Licht aus. Die Schauspielerin hatte das schon vorhergesehen, aber nicht an dieser Stelle. Nun sitzt sie gemeinsam mit dem Publikum in der Dunkelheit. Sie erzählt Anekdoten aus ihrer Kindheit, zündet ein Streichholz an, reflektiert sich und die gegenwärtige Situation immer wieder. Sie führt scheinbar ein Zwiegespräch mit dem Publikum und zündet wieder ein Streichholz ein. Wieder wird die Dunkelheit kurzzeitig durchbrochen. Es ist ein Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer, ein Spiel mit einer der größten Ängste der Menschen. Da braucht man kein Kind sein, um Respekt vor dem zu haben, was da im Schwarzen wartet oder eben nicht. Dunkelheit bedeutet auch Kopfkino. Darauf setzt Vlad Troitskys Inszenierung von "Das Mädchen mit den Streichhölzern".
Susi Wirth fesselt in der Dunkelheit
Das ist minimalistisches Theater, das ist Theater im Theater. Klim schrieb einen Monolog für eine Frau. Es ist eine Geschichte vom Scheitern, vom Glücklichsein, Liebe, Tod, Wahnsinn - eine Geschichte von allem, die wir da hören. Man erkennt sich wieder, ein bisschen vielleicht. Es sind kleine Berührungspunkte, die uns immer wieder in die Nähe der von Dunkelheit umgebenen Frau bringen. Man erfährt, dass sie Schauspielerin ist, indem sie zum Beispiel das Theaterleben mit zynischen Bemerkungen karikiert. Warum spielt sie zum Beispiel in einem Stück im Dunkeln? Das konnte sie auch nicht erklären.
Die Frau wird von Ensemblemitglied Susi Wirth gespielt. Es ist IHRE Rolle. Nicht allein, weil sie mit ihrer markanten Stimme so geschickt die Dunkelheit umläuft. Sie setzt sie mustergültig mal leise, mal laut, mal zerbrechlich, mal selbstsicher in Szene. Zum Beispiel, wenn sie dahin sagt, dass sie ja irgendwas nun erzählen muss. Da wirkt sie unschlüssig, verunsichert, ihr Gesicht wird dabei nur vom schwachen Licht des Streichholzlichtes umrahmt. Viel Mimik und Gestik sieht man da nicht, weil sie nur schemenhaft aus dem Zuschauerraum durch kleine Lichtimpulse sichtbar wird. Braucht man auch nicht, der Star des Moments ist ihr Umgang mit ihrer Stimme.
Wo Dunkelheit ist, ist auch Licht
Susi Wirth wirft immer wieder Fragen auf, Ängste werden offenbart und dann ist da diese eine Geschichte, von dem Mädchen mit den Schwefelhölzern, die immer wiederkehrt. Die wird umso intensiver rezitiert, je weiter Wirth in ihrem Monolog voranschreitet. Die Protagonistin öffnet sich. Das lässt Troitsky auch an dem Kostüm sichtbar werden. Während Susi Wirth anfangs noch Mantel und schwarze Perücke trägt, sitzt sie irgendwann nur noch im weißen Hemdchen da auf diesem einen Stuhl auf der dunklen Bühne. Eine Perücke hat sie da auch nicht mehr auf. Weiß als Farbe der Reinheit, alles das, was sie belastet, hat ist von der Dunkelheit verschluckt worden.
Tanzende Lichtpunkte
Was ist nun alles in der Dunkelheit möglich, wie kann man ein solches Stück auch optisch gestalten, so ganz ohne Lichtquellen? Troitsky lässt mit glimmenden Zigaretten orangefarbenene Lichtpunkte durch den Raum tanzen, bringt Wodka zum Brennen, aber immer nur kurz wie eine kleine Botschaft. (Die Protagonistin verbrennt damit alter Erinnerungen) Egal wie man Dunkelheit im übertragenen Sinn verstehen will: dort wo sie ist, gibt es immer wieder Licht. Und die Inszenierung von Troitsky hat viele Lichtmomente, auch wenn sie durchgängig in der Dunkelheit spielt und das vor allem dank Susi Wirth.
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn