© Conrad Engelhardt
Die sexuellen Neurosen unserer Eltern
Jenny Langner spielt Dora.
Auf den ersten Blick ist Dora ein normales, eher zu braves Mädchen. Wie denn auch anders: seit Jahren steht sie unter dem Einfluss ruhigstellender Psychopharmaka, die ihr wahres Wesen, ihre psychische Abnormität verdecken. So kann sie ein „normales“ Leben leben, einem Job nachgehen, unauffällig sein. Aber ihre Mutter hat genug von Doras jahrelangem seelischen Dämmerzustand. Sie setzt die Medikamente ab, möchte das wahre Ich ihrer Tochter kennenlernen. Von den chemischen Fesseln befreit, entdeckt Dora ihre Lebensfreude. Vor allem entdeckt sie ihre Sexualität und das mit überbordender Lust und Einfältigkeit, allen Mahnungen und Ratschlägen der Eltern zum Trotz. So lässt sie sich mit einem feinen Herrn ein, wird von ihm vergewaltigt, erwartet schließlich ein Kind von ihm. Und wie reagieren die Eltern?
Die Andersartigkeit von psychisch behinderten Menschen spielen lernen
Autor Lukas Bärfuss, dem das Feuilleton den Titel „Instanz für nichtbeantwortbare Fragen“ zumaß, bezieht in seinem Stück keine Stellung, nimmt nicht Partei. Er zeigt lediglich. Hier das enthemmte Wesen einer psychisch Behinderten, dort die bis ins Verquere gehende Moral der Eltern. Die Hauptrolle in der Magdeburger Inszenierung hat Jenny Langner. Wie spielt man die Andersartigkeit eines psychisch behinderten Menschen, was für einen überhaupt? „Wir haben uns geeinigt, keine bestimmte Behinderung zugrunde zu legen. Wir wollen dieses Aufwachen, dieses neue Sehen, dieses Begreifen erlebbar machen. Auch, dass Dora nicht bedauert werden möchte.“
Für Langner, die parallel auch für das Drama „Wir sind keine Barbaren“ (Premiere 26.9.) probt, sind es gerade herausfordernde Wochen. „Ich möchte Doras Andersartigkeit, ihre unverhüllte Direktheit zeigen, ohne sie zu denunzieren.“ Wie unbeirrt direkt körperlich und geistig Behinderte sein können, weiß sie auch von den Mitgliedern der am Theater beheimateteten Gruppe „The Pipers“. Am Ende gilt es auch darstellen, wie ihre Dora erkennt muss, dass sie von den Eltern in ihrer wichtigsten Lebensentscheidung belogen wurde. Sie kann nie mehr Kinder kriegen, und diesen Schmerz, den fühlt sie. So hängt am Ende dieses Dramas die Frage im Raum: Was ist der richtige, der beste Umgang mit Abnormitäten: für die Gesellschaft auf der einen Seite und den einzelnen auf der anderen.
Die sexuellen Neurosen unserer Eltern, Premiere am 9. 10., 19.30 Uhr, weitere Termine
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn