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©Dorothea Tuch
Regisseurin Clara Weyde, Dramaturg Bastian Lomsché und Kostümbildner Clemens Leander
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© Engelhardt
Das Schauspielhaus erlebt gleich vier Premieren
„Wir haben eine Utopie: Die Magdeburgerinnen und Magdeburger kommen ins Schauspielhaus, auch ohne in den Spielplan zu schauen. Das Haus ist (fast) jeden Tag offen. Und immer passiert etwas Spannendes.“ Keine geringe Ambition, der sich das junge Leitungstrio des Schauspielhauses – bestehend aus Regisseurin Clara Weyde, Dramaturg Bastian Lomsché und Kostümbildner Clemens Leander – da verschrieben hat. Mittels eines Theaterfests zum Spielzeitauftakt, einer expandierten Vermittlungsabteilung, diversen „anarchischen, nicht kuratierten“ Formaten und natürlich seiner persönlichen Theatersprache sucht es den Kontakt zu den Magdeburgern (mit denen es bisher übrigens ausnahmslos „hervorragende erste Begegnungen“ erlebt hat!). Das Schauspielhaus als lebendiger Treffpunkt im Stadtzentrum – traumhaft!
Am 9. September nun präsentieren die Drei ihre erste gemeinsame Inszenierung. Und eine erste Inszenierung, an neuem Haus, in neuer Stadt, ist immer ein Statement. Die Wahl für diesen Anlass fiel auf „Das Leben ein Traum“, ein Klassiker des üppigen spanischen Barockzeitalters, verfasst von Priester und Dichter Calderon de la Barca. Da lässt ein König seinen Sohn, sich einer alten Prophezeiung beugend, fern der Welt in einem Turm aufwachsen, macht ihn versuchsweise für einen Tag zum Herrscher, nur um jene Prophezeiung bestätigt zu sehen und ihn erneut wegzusperren. Dem Jungen nun kommt sein Tag im wahren Leben wie ein Traum vor, er beginnt über Realität und Fiktion zu sinnieren, seine (christlichen) Schlüsse daraus zu ziehen – und kehrt für einen zweiten Versuch ins Leben zurück.
Ein religiöses Lehrstück als Einstand? „Nein, keine Sorge! Aber wir denken unsere Stoffe immer politisch und konfrontieren sie mit unserer heutigen Realität“, beschreibt Bastian Lomsché die gemeinsame Arbeitsweise. Zusammen mit Clara Weyde hat er eine ganz eigene Fassung des Stückes geschrieben – zwar inklusive Originaltext, aber stark darüber hinausgehend. „Die Frage, was für eine bestimmte Gesellschaft als Wahrheit gilt, ist hochaktuell. Heute genügt es ja nicht einmal, wenn etwas naturwissenschaftlich bewiesen ist. Und welchen Einfluss hat künstliche Intelligenz auf unser Verständnis von Wirklichkeit? Besteht die Realität in Zeiten von Big Data nur noch aus gesammelten Daten?“, benennt Clara Weyde die sie umtreibenden Gedanken. „Bei uns ist Sigismund eine Art lernfähiger Roboter, der auf eine traditionelle, mittelalterlich anmutende Gesellschaft losgelassen wird. Im Praxistest in einer phantastischen Welt optimieren sich sozusagen seine Algorithmen.“
Das religiöse Lehrstück ist also passé – stattdessen eine sterile Übersetzung in die Gegenwart? Ebenfalls weit gefehlt. „Bei Inszenierungen von Clara und Clemens gibt es immer sofort eine Menge zu entdecken. Sie sind visuell überbordend“, schwärmt Bastian Lomsché. Die umfangreiche Personage, der Humor, die Absurdität des Stückes – unterstützt von Clemens Leanders Kostümbild. „Ich zitiere gern unterschiedliche Epochen. Diesmal habe ich mich zum Beispiel mit historischer Sportbekleidung beschäftigt. In Kombination mit pop-kulturellen Elementen entsteht dadurch bestenfalls etwas Überzeitliches.“ – „Naturalismus ist eine verpasste Chance des Theaters“, ergänzt Clara Weyde. „Die Stärke von Theater ist ja gerade, alternative Räume erschaffen zu können. Wir erzählen bunt, absurd, auch mal mit großem Pinsel, verspielt, einladend.“
Da ist sie wieder, die Einladung: an alle, das Theater, seine Macher und seine Kraft neu für sich zu entdecken. Möge euer Traum Leben werden!
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn