© Kerstin Schomburg
Lorenz Krieger und Sophia Vogel sind Teil der „Wolf“-Inszenierung
Schlafforscher haben herausgefunden: Zwischen 3 und 4 Uhr wachen überdurchschnittlich viele Menschen unfreiwillig auf, sind anfällig für negative Gedanken, verfallen in Grübeleien und tun sich schwer, wieder einzuschlafen. Weil um diese Zeit eigentlich nur Wölfe wach sein sollten, haben sie das Phänomen „Wolfsstunde“ getauft. Schuld sind: die Hormone!
Die Hormone sind auch Schuld, dass sich Kemi, Jörg und ihre Klassenkameraden langsam vom Kind zum Erwachsenen entwickeln – und auch da bleiben negative Empfindungen und innere Kämpfe nicht aus. Sich ausgestoßen, unverstanden, anders zu fühlen zum Beispiel. Kemi fühlt es – und zieht sich zurück. Jörg fühlt es – und wird zum Opfer.
Es ist die Geschichte einer Gruppe Heranwachsender, die ins Ferienlager in den Wald fährt und dort gesellschaftliche Dynamiken erprobt, die ihnen ihr ganzes Leben wiederbegegnen werden: Da ist Marco, ein Anführertyp, der Jörg scheinbar beiläufig, aber konstant schikaniert. Da ist Jörg, der, zunächst unbemerkt, Schaden nimmt. Da sind die Erwachsenen, die finden, diese Kleinigkeiten sollen die Kinder mal schön unter sich ausmachen. Und da ist der Wolf, welcher Kemi, der die Geschichte mit seinem ironisch-distanzierten und dabei äußerst humorvollen Blick erzählt, regelmäßig im Traum besucht – Kemi, der mit Tier und Natur zunächst nichts anzufangen weiß, der lieber sein Ding macht, als sich einzumischen, und der doch irgendwann nicht anders kann als Position zu beziehen.
Der preisgekrönte, deutsch-bosnische Schriftsteller Saša Stanišić hat mit „Wolf“ im April seinen ersten Jugendroman veröffentlicht. Vorher aber hat er ihn unter der Hand dem hiesigen Leitungsteam zugesteckt. Das las, war begeistert, bat um das Recht, den Roman zur Eröffnung ihrer zweiten Spielzeit auf die Bühne bringen zu dürfen – und erhielt den Zuschlag. Seitdem haben Clara Weyde und Bastian Lomsché (Regie/Dramaturgie) eine Bühnenfassung erarbeitet, die wiederum Stanišić begeisterte. In ihr verwandeln sich fünf Darsteller in die zahlreichen Figuren des Romans – vom Ferienlager-Koch über mystische Wölfe bis zum heimlichen ersten Schwarm. Die Kostümwechsel finden unter erschwerten Bedingungen statt: Die Bühne besteht aus einem 20 cm tiefen Wasserbecken. Für Weyde ist das eine Art „Gefühlsraum“, ein einerseits wunderschönes, andererseits gefährliches Element – und ihre Übersetzung von tatsächlichem und empfundenem Dickicht. Im Wasser verschwimmen, so wie in der Geschichte, Fantasie und Wirklichkeit. Es wird zum Territorium der Wölfe, die auf der Bühne dauerpräsent sind: Als Bedrohung? Beschützer? Omen?
Eindimensionale Wahrheiten gibt es nicht in „Wolf“: Nicht immer sind Täter und Opfer trennscharf und schon gar nicht muss man sich der Rolle, in die man von Anderen gedrängt wird, ergeben. So zeigt „Wolf“, wie Einer beginnt, sein Schicksal und das Schicksal eines Anderen in die Hand zu nehmen – und Menschen ab 10 Jahren, wie wichtig es ist, sich einzumischen.
Hier geht es zu den Spielterminen von "Wolf", Premiere am 9. September im Schauspielhaus
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn