1 von 2
© Meret Kiderlen
Der alte Speisesaal des Betriebs 13
2 von 2
© Meret Kiderlen
Leere Werkhallen: Der ehemalige Verseilmaschinenbau des SKET
Ab und an bahnte sich in den vergangenen Monaten eine Gruppe von Kopfhörerträgern ihren Weg durch die Innenstadt. Sie trugen Schilder mit Forderungen vor sich her, entzündeten Kerzen vor dem heutigen Jobcenter, bestiegen Kleinbusse mit unbekanntem Ziel. Die Miniperformances waren Teil der Stadtrauminszenierung „Utop89“, die das Regieduo willems&kiderlen für das Theater Magdeburg entwickelt hatte. Nun bekommt der berührende Audiowalk über die Wendezeit einen Nachfolger: mit anderen Orten, anderen Schwerpunkten, anderen Stimmen – aber genauso authentisch und von und für die Menschen von hier.
Auslöser war ein Besuch im Technikmuseum – einem „Ort, der von sich aus lebt“, wie Meret Kiderlen es nennt. Anders als in üblichen Industriemuseen sind die Zeugnisse früherer körperlicher Arbeit, technischer Innovation und industrieller Blüte hier an authentischem (und auratischem!) Ort zu erleben: der ehemaligen Stahlbauhalle des Schwermaschinenbau-Kombinats „Ernst Thälmann“. SKET. Kaum ein Alteingesessener, den diese vier Buchstaben kalt lassen. Ehedem Arbeitgeber jedes zehnten Magdeburgers. Mit betriebseigenem Konsum, Kita, Polyklinik, Sportplatz. Eine Stadt in der Stadt. Dass all das im Zuge der Wiedervereinigung zerbarst, von Heute auf Morgen, radikal und brutal, ist schmerzlich bekannt. Es ist eine der vielen Narben dieser Stadt.
Willems&kiderlen haben in ihrer einjährigen Recherche Menschen ausfindig gemacht, die diesen Bruch in ihren Biographien tragen, die ihn in verschiedenen Lebensaltern und mit unterschiedlicher Anpassungsfähigkeit durchgemacht haben. „Manche hat die Abwicklung von SKET, der Verlust einer jahrzehntelang gelebten Identität, bis heute traumatisiert. Andere waren froh, mit uns darüber sprechen zu können. Wir durften uns sogar einige Erfindungen von ehemaligen SKET-Arbeitern ansehen“, erzählt Kiderlen. Die Spurensuche führte sie und ihr Team unweigerlich auch zu den heutigen Nutzern des SKET-Areals – und damit zu den modernen Formen der Arbeit. Heute ist z.B. die hier ansässige Firma regiocom der drittgrößte Arbeitgeber der Stadt. Für Kiderlen zeigt sie exemplarisch den Wandel der Arbeitswelt: „Während SKET riesige, haptische Maschinen produzierte, stellt regiocom Produkte her, die man weder sehen noch anfassen kann – mit Mitarbeitern, die teils noch nie in Magdeburg waren.“ Auch sie sind Teil ihrer neuen Stadtrauminszenierung. Ebenso die Kreativen, die den ehemaligen „Betrieb 13“ in einen multifunktionalen Ort für Kulturschaffende umbauen wollen – auch eine Spielart modernen Arbeitens.
Und SKET selbst? „Als wir in der SKET-GmbH, die heute noch Großteilfertigung betreibt, Töne der arbeitenden Maschinen aufnehmen wollten, war unser Sound-Designer schwer enttäuscht: Statt ohrenbetäubendem Lärm geben die Maschinen heute gerade mal ein leises Rauschen oder Quietschen von sich. Vieles läuft automatisiert.“ Auf seiner kopfhörergesteuerten Spurensuche durch Buckau begegnet das Publikum den Arbeitern von gestern und heute, den menschlichen und den maschinellen, leibhaftig oder in zahlreichen O-Tönen. Es erlebt den Wandel der Arbeitswelt an sprechenden Orten und ist eingeladen, sich selbst zu positionieren: Schöne neue Arbeitswelt?
Zur Veranstaltung: „IN ARBEIT... von Laufkatzen, Transporthunden und KI-Mäusen.“
Technikmuseum
Dodendorfer Straße 65, 39112 Magdeburg
Bitte aktivieren Sie JavaScript.
Di - So 10-17 Uhr, am 24./25.12. u. 31.12. geschlossen