© Stefan Haberkorn
Alles nur Fassade
Im Rahmen des Events wird ein Einsturz des Ratswaage-Hotels multimedial simuliert.
Kennen Sie Carl Krayl? Wir Magdeburger sollten es wissen, denn als Architekt der Moderne prägte er mit seinen Bauten die 1920er Jahre in der Stadt. Und doch blieb er im Schatten seines Intimus Bruno Taut. Für ihn, den Stadtbaurat, erschuf er u.a. das bunte Magdeburg. Neben Siedlungen wie Curie und Cracau war das Gewerkschaftshaus am Ratswaageplatz – heute Hotel Ratswaage – ein prägender Einzelbau.
Was wäre, wenn Carl Krayl heute das Hotel Ratswaage betreten würde – welche Spuren seiner fast 100 Jahre alten Entwürfe für das Bauwerk würde er finden? Wie würde er auf seine Ideen für die Bunte Stadt der frühen 1920er Jahre, auf Rückschläge und auf die Freundschaft mit Taut zurückblicken?
Beim Multimedia-Event „Alles nur Fassade?“ wird genau diese Fiktion wahr. Die echte Fassade der Ratswaage dient dabei als riesige Projektionsfläche. Der Hotelkomplex und seine Fassade sind die eigentlichen Protagonisten. Die Gebäudestruktur löst sich auf, die Fassade bröckelt. Schauspiel, Musik und spektakuläre visuelle Effekte ziehen das Publikum in den Sog der erzählten Geschichte – die sogar hinter die Hotelkulissen in das Haus hinein führt!
Vergangenheit und Zukunft begegnen sich in der fiktiven Gegenwart. Prallen aufeinander. In einem filmischen Thriller begegnet Carl Krayl seinen Vorläufern und trifft auf seine Nachfolger, die Historie der Ratswaage vom frühen Mittelalter bis zu den Neuerungen in der DDR bricht sich Bahn ... und irgendwo dazwischen müssen doch noch die Originalskizzen liegen, die Krayls kühne, aber nie realisierte Visionen für ein Gewerkschaftshaus plastisch machen – aber wo? Dabei stellt er sich noch einmal den Schatten, die sich über sein „Gelb-rot-blau“ gelegt haben und geht mit seinem Mentor Bruno Taut in einen finalen Showdown. In schauspielhaften Szenen, die sich live am Ratswaageplatz und in weiterer Folge im Inneren des Hotels ereignen, sprechen Schauspieler jene Jahrhunderte alten Zitate emotional nachvollziehbar aus; so kann das Publikum in die Privatsphäre, in das Denken und Fühlen von Visionären der Baukunst, ihrer Widersacher, Freunde und Nachfahren eintauchen. 20 Darsteller*innen geben historischen Figuren ein Gesicht. Was sie sagen, entstammt Doktorarbeiten, Akten aus Archiven und dem Erinnerungsschatz von Zeitzeugen. Verdichtet wurden die Passagen von Manuel Czerny, der sich mit dem Bürger Ensemble Magdeburg seit Jahren dem autobiografischen Theater widmet.