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© Peter Hartwig
Ursula Werner in der DDR-Komödie "Zwei zu Eins"
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© Esra Rotthoff
Ursula Werner
Frau Werner, wie kann ein Filmemacher Sie heutzutage überreden, in seinem Film mitzuspielen?
Das Erste, was ich erfahre, ist der Inhalt des Drehbuchs. Wenn ich den Regisseur noch nicht kenne, muss ich mich daran orientieren. Wenn ich außerdem eine Meinung zwecks meiner darstellerischen Haltung äußern darf, mache ich gerne mit. Und wenn es mich nicht interessiert, dann sage ich nein.
Wie haben Sie die Zeit erlebt, in der der Film spielt?
Lebendig, würde ich mal sagen! (lacht) Das ist meine Zeit. Was mich natürlich dazu bewogen hat, mich mit dem Stoff zu beschäftigen und kritisch darauf zu schauen. Ist das, was erzählt wird, überhaupt wahr? Hat das eine Übereinstimmung mit der Wahrheit, die ich kenne? Wenn es etwas zu kritisieren gibt, sage ich es. Auf der anderen Seite bin ich froh, wenn etwas in einer Form erzählt wird, zu der ich sagen kann: „Ja, genau so war es!“
Alle Hauptdarsteller des Films sind mehr oder weniger DDR-sozialisiert. Hat man als Ensemble deshalb eine besondere gemeinsame Basis?
Ja, wir sitzen im selben Boot. Wir sind dazu angehalten, diese Figuren, mit denen wir besetzt wurden und zu denen wir Ja gesagt haben, so wahrheitsgemäß und wahrhaftig zu verkörpern wie möglich. Gerade dieses Gemisch und das Thema um die ehemalige DDR waren natürlich auch ein Anlass für einen lebendigen Austausch von Erfahrungen. Da gab es Jung und Alt - Alt weniger als Jung - und dadurch eine interessante Zusammenarbeit. Die Jungen haben nebenbei noch Geschichtsunterricht bekommen und wir konnten endlich mal loswerden, was uns auf der Seele lag, was wir noch von der DDR zu erzählen wussten, was nicht in Zeitungen oder Büchern steht.
Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Sandra Hüller?
Wunderbar. Sie ist eine großartige Schauspielerin. Ich habe sie schon immer bewundert. Ich habe sie in München am Theater kennengelernt und auf der Bühne gesehen. Sie ist aber auch eine wunderbare Filmschauspielerin. Es war ein sehr schönes Miteinanderarbeiten. Ich wünschte mir wieder eine Zusammenarbeit mit ihr.
Wissen Sie noch, was Sie sich von Ihrem Begrüßungsgeld geleistet haben?
Ja. Man bekam 100 D-Mark geschenkt. Davon habe ich mir einen Videorekorder gekauft. Für 99 D-Mark bekam man einen Videorekorder, der im Osten ungefähr 2400 Mark kostete, wenn man ihn überhaupt bekam. Diese Geräte, Videorekorder oder auch Haushaltsgeräte und Fernseher, waren im Osten sehr teuer. Da lagen Akzisen drauf - das, was der Staat bei Waren einkassierte, die nicht lebensnotwendig gewesen sind. Lebensnotwendig waren Lebensmittel, die Miete, Bildungsmöglichkeiten für Arbeiter, Kinder, Bauern. Das war das Wichtigste. Wenn man dann einen so teuren Apparat kaufen konnte - für geschenktes Geld - kam einem das gerade recht. Der Westen hat auch da Reibach gemacht, indem er die Geräte alle los wurde. (lacht) Eine Mark zusätzlich hatte ich noch von meiner Tante. Davon habe ich meinem Sohn ein Matchbox-Auto gekauft. Und mit dem umgetauschten Geld sind wir zu McDonalds gefahren. Meinem Sohn zuliebe.
Hatten Sie gleich ein seltsames Gefühl, als aus „Wir sind das Volk“ plötzlich „Wir sind ein Volk“ wurde und viele die Währungsunion forderten?
Ja. Ich hatte ein sehr seltsames Gefühl, weil das nicht meine Meinung war. Ich wollte die Staatsform der DDR beibehalten und mit unserer Demo am 4. November eine Reform erwirken. Das haben wir uns so erträumt. Man hatte die Illusion, dass es klappen könnte, sonst hätte man diese Forderung nicht gestellt. „Wir sind das Volk“ war eine klare Ansage des Volkes der DDR an die Regierung der DDR. Das war mit „ein“ Volk doch gar nicht gemeint, das kam erst durch den Westen. Man sagte, wenn wir schon so weit seien, könnten wir gleich eine Wiedervereinigung anstreben. Das war ein großes Bedürfnis der DDR-Bevölkerung, weil man auch die Westmark wollte und sich den Lebensstandard des Westens erträumt hat. Aber unsere Werktätigen im Osten haben auch gesagt: „Wir wollen nichts geschenkt haben. Wir können arbeiten.“ Dass dann die Betriebe geschlossen wurden, konnte man nicht ahnen. Soweit ging der Traum nicht - oder in diesem Fall der Albtraum.
Was bedeutet Ihnen Geld?
An und für sich habe ich, glaube ich, eine ganz gesunde Auffassung. Ich möchte keine Geldberge stapeln. Es muss reichen um zu wohnen, sich gut zu ernähren, den Kindern eine Ausbildung ermöglichen zu können, auch mal Urlaub zu machen und neue Anzieh-Sachen zu kaufen, ohne dass man lange überlegen muss, ob man sich das noch leisten kann. Das möchte bitte für jeden Bürger rausspringen.
Konnte man in der DDR als Schauspieler reich werden?
Reich wurde in der DDR niemand. Es sei denn, es wurden irgendwelche Geschäfte gemacht. Herr Schalck-Golodkowski hat sicherlich auf Reichtum hingearbeitet, er hatte auch andere Beziehungen. Das waren keine normalen Tätigkeiten. Man konnte vielleicht ein bisschen wohlhabend werden. Wir hatten zum Beispiel auf der Havel einen Herrn Müller. Den nannten alle „Millionen Müller“, weil er einer der wenigen Leute war, die wirklich eine Million für eine Yacht ausgeben konnten. Das war aber eine ganz außerordentlich seltene Erscheinung. Reich konnte man nicht werden, nein. Das war auch nicht so wichtig.
War es für Sie schwierig, in der neuen Welt als Schauspielerin Fuß zu fassen?
Es war nicht so schwierig. Natürlich wollte man gerne in diesem Fach Schauspiel weiterhin beschäftigt werden und darin bestehen. Das war unsicher, weil gerade Schauspielerinnen in meinem Alter im Westen nicht bekannt waren. Im Osten haben wir regelmäßig unsere Filmrollen bekommen und die meisten hatten auch ein Theaterengagement. Es gab ein Fernsehensemble, das vom Gehalt oder von der Regelmäßigkeit des Geldes her ähnlich behandelt wurde wie ein Theaterensemble. Ich hatte das Glück, am Maxim-Gorki-Theater einen Vertrag zu haben, der nicht mehr zu kündigen war, weil ich schon über 15 Jahre dort gearbeitet habe. Das sicherte mir den Erhalt des Vertrages, somit auch mein Gehalt pro Monat und dadurch auch die Freiheit, zu wissen, womit ich meine Miete bezahle und mein Leben bestreite. Für mich bestand diese Angst also nicht. Aber diejenigen, die diese Vertragssituation nicht hatten, waren plötzlich alle frei und freischaffend, aber als Ostkünstler nicht bekannt. Welche Filmfirma des Westens hat sie dann beschäftigt? Es waren einige wenige, die darauf bauen konnten. Manche haben die Bühne nie wieder betreten. Das war schon bitter.
Spüren Sie es relativ schnell, ob jemand aus dem Osten oder dem Westen stammt?
Ja, eigentlich schon. Es gibt bestimmte Ansichten, bestimmte Bemerkungen, die nicht im Osten entstanden sein können. Ganz gleich, ob es nun den neuen Zeitläufen zuspricht oder der Qualität abspricht. Es kommt immer darauf an, wie dazu Stellung bezogen wird. Man merkt das schon. Das Ulkige ist: Mit Axel Prahl habe ich auch schon einiges gedreht. Bei ihm sagen alle: Du bist auch einer aus dem Osten! Ist er aber nicht. (lacht) Ich weiß auch nicht, woher das kommt. Alle denken, er sei typisch Osten. Es gibt hier offensichtlich auch Erscheinungen, die nicht ganz zu verpolen sind. Aber Axel ist eine Ausnahme.
Sie haben wiederholt mit Andreas Dresen und Caroline Link gearbeitet, zwei der talentiertesten, aber auch menschlich integersten Regisseure Deutschlands. Sind die beiden ein gutes Beispiel dafür, dass es im Osten und im Westen gleichermaßen gute Menschen gibt?
Absolut. Klar, die Erziehung und Orientierung im Westen sind ganz andere. Ich habe das hauptsächlich am Theater gemerkt. Es war anfangs ein bisschen schwierig mit den Wessis zurande zu kommen, weil sie ganz andere Wertebegriffe hatten, was wichtig und was unwichtig ist. Es gab aber genauso Personen aus anderen Regionen des Westens, mit denen man sich wunderbar und glänzend verstanden hat. Da gibt es solche und solche.
Vermissen Sie, wie im Film angesprochen, Gewissen und Schamgefühl im Umgang mit Geld?
Das Geld, was in den Depots gefunden wurde, war kein Geld, das Leute persönlich in der Hand hatten. Es musste weg, weil jetzt das Westgeld reinkam. Das hat keinem gehört. Diese Hausgemeinschaft im Film sagt: „Wir kaufen uns jetzt einen VE-Betrieb!“ Das war ungefähr die Größenordnung, die man dem Geld und seiner Wichtigkeit beimaß. Es ging darum, etwas Nützliches mit dem Geld zu tun. Also kauften sie einen Betrieb. Das war eine sehr hübsche Vorstellung, aber vielleicht auch naiv. Ansonsten gab es keine große Anhäufung von Reichtum. Das ist das, was viele im Westen heute noch nicht begriffen haben. Dort konnte man wirklich reich werden, weil das Geschäftsgebaren ein ganz anderes war. Aber bei uns im Osten floss letztendlich alles ins Volkseigentum - von dem ich zur Wende nichts mehr zurückbekommen habe. Ich weiß gar nicht, wer mein Volkseigentum eingekrallt hat. (lacht)
Glauben Sie, dass jeder Mensch käuflich ist und es nur auf die Summe ankommt?
Nein, das glaube ich nicht. Sicherlich gibt es Leute, die käuflich erworben werden können. Ich sehe da schon für die nahe Zukunft etwas. Aber dass jeder sich nur wegen des Geldes kaufen lässt? Nein, das glaube ich nicht. Ich gehe dabei auch von mir aus.
Wir leben in unruhigen Zeiten. Was besorgt Sie besonders, was lässt Sie hoffen?
Hoffnung habe ich dadurch, dass es schon oft sehr prekäre und gefährliche Situationen gab, aus denen doch immer wieder das Gute wie ein Phönix aus der Asche stieg. Das ist meine Hoffnung: Dass es eine Umkehr im Denken oder Empfinden gibt, sodass man hoffen kann, dass die Erde stehen bleibt. Daraus ziehe ich all meine Hoffnung. Es gibt sehr viele gute Menschen mit guten Gedanken.
Im Moment gerät offensichtlich alles aus den Fugen und keiner hat einen klaren Kopf, geschweige denn einen klaren Gedanken oder Plan. Es scheint mir alles, was im Moment beschlossen wird, völlig hektisch, unüberlegt und ratlos zu sein. In der zivilisierten Welt hat sich eine ziemliche Ratlosigkeit ausgebreitet. Das ist beängstigend, weil man dadurch hektisch, unvorsichtig und dumm wird.
Sie sind gelernte Tischlerin. Wann haben Sie zum letzten Mal etwas getischlert?
Oh, das ist schon lange her. Ich habe die Lehre beendet, aber natürlich keine eigene Tischlerwerkstatt aufgemacht, weil ich sofort ins Schauspielstudium eingestiegen bin. Das kann man nicht nebenbei machen. Ich bin froh, dass ich das Tischlerhandwerk erlernt habe. Man hat einfach ein ganz anderes Gefühl für Werkzeuge. Nicht nur für Hobel, Säge und Schleifpapier, sondern auch für andere Werkzeuge. Es war auch nicht meine Absicht, das beruflich zu machen. Es war eine Vorausbildung für ein Studium der Innenarchitektur, was ich dann nicht angetreten habe, weil mir die Schauspielerei dazwischenkam.
Zur Person
Mit ihren Rollen in DEFA- Klassikern wie „Ein irrer Duft von frischem Heu“, „Insel der Schwäne“ und „Bürgschaft für ein Jahr“ avancierte Ursula Werner zu einer Ikone des DDR-Kinos. Nach der Wende drehte die Berlinerin mit Regisseuren wie Andreas Dresen („Wolke 9“) oder Caroline Link („Der Junge muss an die frische Luft“), dazu ist sie regelmäßig im TV präsent („Tatort“, „Bornholmer Straße“).
Zu den Spielterminen von "Zwei zu Eins" ab 24. Juli im Moritzhof
© Engelhardt
Kulturzentrum Moritzhof
Moritzplatz 1, 39124 Magdeburg
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