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Sahra Wagenknecht
Extrem gradlinig und markant, deutlich in der Sprache und unfassbar polarisierend – das ist sie, die 1969 in Jena geborene Sahra Wagenknecht. Sie ist seit Jahren die beliebteste Linke hierzulande, sogar noch vor Gregor Gysi. In Umfragen misst sich Wagenknecht mit Spitzenpolitikern wie Friedrich Merz, Christian Lindner oder Karl Lauterbach. Doch in ihrer eigenen Partei hat es Sahra Wagenknecht mit ihrem gesamten Parteiflügel mehr als schwer.
Zwischen 2015 und 2019 führte sie mit Dietmar Bartsch die Linksfraktion im Bundestag. In der Debatte über die Aufnahme von Geflüchteten betonte sie 2016 „Kapazitätsgrenzen“ sowie „Grenzen der Aufnahmebereitschaft“. In der internationalistischen Linken ein absolutes No-Go. Mit der Sammelbewegung „Aufstehen“ wollte sie 2018 ein Gegenprojekt zur Linkspartei aufziehen – und scheiterte. 2019 dann der Rückzug von allen Ämtern aus gesundheitlichen Gründen: Burnout. Mit Oskar Lafontaine lebt, schreibt und nimmt sie jetzt wöchentlich Videobotschaften im Saarland auf, dass wie ein politisches Exil wirkt.
Die Selbstgerechten
Dass ihr die Linkspartei zu wenig ist, hat sie in ihrem aktuellen Buch „Die Selbstgerechten“ aufgeschrieben. Die Bücher verkaufen sich unfassbar gut, Lesungen wie in Magdeburg sind schnell ausverkauft. Wen klagt sie mit dem Buch an? Sahra Wagenknecht betont: „Was ich als Selbstgerechte bezeichne, sind diejenigen, die fälschlicherweise oft als Linksliberale bezeichnet werden, wobei sie aber weder links noch liberal sind. Sie sind diejenigen, die den Begriff links bei vielen Menschen in Verruf gebracht haben, weil darunter oft nicht mehr der dringend notwendige Kampf um Arbeitnehmerrechte, bessere Löhne und Renten verstanden wird, sondern es vor allem um die sogenannte Identitätspolitik geht, also die Befindlichkeiten und Interessen gesellschaftlicher Minderheiten im Vordergrund stehen, wobei besonders großer Wert auch auf eine politisch korrekte Sprache und Lebensweise gelegt wird.“
Wagenknecht, die sich selbst einmal als Kommunistin bezeichnete, sagt, viele Menschen würden nicht mehr wissen, was sie noch wählen sollten, weil sie ihre Interessen nirgendwo mehr vertreten sehen würden: „Diese große Leerstelle in der politischen Landschaft ist eine echte Gefahr auch für die Demokratie, und ich wünsche mir sehr, dass es wieder eine politische Kraft in diesem Land gibt, die diese Lücke schließt.“
Rückzug nach vorn
Im Bundestag selbst hat Wagenknecht ihr Engagement auf das nötigste begrenzt. An den wöchentlichen Sitzungen der Linken nimmt sie kaum teil, ebenso wie an den Fachausschüssen des Bundestags. Schwerpunkte setzt sie eher zum Beispiel auf ihre wöchentlich erscheinenden Videos, die hunderttausendfach geklickt werden. Sie dosiert ihre Nadelstiche gegen die politischen Gegner und auch ihre eigene Partei nach ihrem Gusto. Wenn sie einen Dammbruch will, dann kann sie diesen hervorrufen. Das ist ihre große Kunst, die sie so einmalig macht. Wagenknecht ist charismatisch, weil sie ihre Fahne nicht nach dem Wind dreht wie viele Politiker es mittlerweile tun. Für große Medien wie „Spiegel“ ist sie die Auflagenmacherin schlechthin. Nahezu wöchentlich drehen sich Debatten um die Zukunft Wagenknechts in der Linkspartei. Sie selbst sagt: „Eine Partei zu gründen ist allerdings ein sehr großer und aufwändiger Schritt, der sehr viel Vorbereitung erfordert und der sehr gründlich überlegt und geprüft werden müsste.“ Im Osten würde eine eigene Wagenknecht-Partei sicher viel Zuspruch erfahren. Nicht wenige Parteigenossen wünschen sich auf der anderen Seite nichts sehnlicher, als dass Wagenknecht endlich aus der Partei DIE LINKE verschwindet.
Lieber 100 Stunden verhandeln als eine Minute Krieg
Mit ihrem Ruf nach Kompromissen im Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie die Geißelung der für Wagenknecht „sinnlosen“ Sanktionen gegenüber Russland hat sie die Friedenspartei „DIE LINKE“ bundesweit durchgeschüttelt. Zusammen mit Alice Schwarzer und über 60 Prominenten wie Reinhard Mey, Henry Hübchen, Margot Käßmann oder auch Katharina Thalbach hat Wagenknecht das „Manifest für Frieden“ gestartet. Eine halbe Million Menschen haben bisher unterzeichnet. Wagenknechts Position: „Es muss statt immer neuer Waffenlieferungen eine diplomatische Offensive geben, um dem grauenhaften Krieg und dem unendlichen Leid und der Verwüstung ein Ende zu setzen. Ich finde es entsetzlich, wie sich die Eskalationsspirale immer weiter nach oben schraubt. Dabei ist klar, dass keine Seite diesen Krieg gewinnen kann und das Risiko besteht, dass der Krieg sich bis zu einem womöglich nuklearen Flächenbrand ausweiten könnte.“ Viel Stoff für neue politische Projekte der eisernen Linken.
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