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© Severin Koller
Shake Stew
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© Dovile Sermokas
Julia Hülsman
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©William-Claxton
Ernie Watts
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©Armin_Zedler
Roger Hanschel & StringThing
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©Jože_Balas
Philipp Gropper
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©privat
Olga Amelchenko
Magdeburgs Jazzfestival geht in die fünfte Runde und das Programm verspricht schlichtweg großes Kino zu werden. Der umtriebige Kurator Warnfried Altmann hat seine guten Kontakte zu den Kollegen genutzt und nach Trompete, Piano, Posaune und Schlagzeug ein beachtliches Set mit dem Holzblasinstrument im konischen Messingkleid zusammengefasst. Gleich zum Eröffnungsabend präsentieren die Shooting-Stars von „Shake Stew“ um Lukas Kranzelbinder mit „Heat“ einen aus hypnotischen Afrobeats und ekstatischen Sound-Eruptionen gefertigten Mix. Aus dem Nichts entstehen Klanggebilde, die auf trance-artig wiederholten Basslinien und fein gestimmten Gong-Patterns dahinperlen und einen in ihrer Fragilität genauso tief berühren wie vorangegangene Groove-Explosionen.
Zum Clubabend begibt sich der Berliner Tenor-Saxophonist Philipp Gropper auf experimentelle Pfade. Die Musiker seines Projektes PHILM fügen sich auf der Bühne als Einheit. Ihr Sound ist dicht und schnell, eine akustische Essenz mit besonderem Bouquet. PHILM trifft ins Schwarze des Zeitgeistes und hat mit der Postmoderne wenig am Hut. Es geht den Musikern nicht um Assoziation und Dekonstruktion, sondern um Erschaffen und Teilen. Keine Ironie, keine Zitate, keine intellektuelle Theatralik, nur Ton und Technik. Als lebhaftes Beispiel dafür, wie die Sprache der Musik Grenzen und Barrieren aufzulösen vermag, folgt das international besetzte Quartett um die Alt-Saxophonistin Olga Amelchenko, die moderne Jazzmusik mit sibirischem Folk, Rock und frei improvisierten Elementen verschmelzen lässt. Die Streicher-Pioniere im Bereich improvisierter Musik des „String Thing Streichquartett“ verbinden mit dem Saxophonisten Roger Hanschel als Cross-Over-Projekt Jazz und Klassik als gelungene Einheit. Erweitert wird das Projekt akustisch durch den Kontrabass und musikalisch durch indische Skalenmuster. Für ihr siebtes Album „Not Far From here“ (ECM) erweiterte Pianistin Julia Hülsmann ihr Arbeitstrio um Saxophonist Uli Kempendorff. Mit seiner Präsenz und markanten Bläserlinien gelingt es ihm, sich nahtlos in die Lyrik Hülsmanns zu integrieren und dem Fluss der feinsinnigen Kompositionen zusätzlich Fahrt zu geben. Scheinbare Missverständnisse bekommen eine Chance und sind in der Reduktion ein Gewinn.
Im totalen Kontrast dazu: Das European Saxophone Quartet findet sich in dieser Welturaufführung frei und hemmungslos auf die Suche nach Harmonie. Die Könner Gianni Gebbia, Vytautas Labutis, Warnfried Altmann, Simon Rose zeigen brillante Zirkulationstechnik und radikale Improvisation von auch mediterraner Schönheit.
Und als starker Abschluss des Festivals kommt Jazz-Legende Ernie Watts. Der 75-jährige Saxophonist aus Norfolk, Virginia spielte schon in der Bigband von Buddy Rich und stand mit Thelonious Monk, Aretha Franklin, Pat Metheny, Frank Zappa, Miles Davis, den Rolling Stones und Jean-Luc Ponty auf der Bühne. Sein European Quartet spielt mit dynamischem Ausdruck und technischen Raffinessen und führt Balladen mit spürbarer Sensibilität und Zurückhaltung zum Ziel. Es wird ein Fest.
Zur Veranstaltung am 22. April