© Charlotte Goltermann
Element of Crime
Eine stetig wachsende Hörerschaft folgt seit 31 Jahren der dahergebrummelten Melancholie dieser Band. Neben bluesverwandten Gitarren, typischen Bläsersätzen und hier und da einem Akkordeon sind stets die unverwechselbaren Texte Erkennungszeichen eines Element of Crime-Songs. Wir sprachen mit Sänger und Songwriter Sven Regener über den schleichenden Erfolg, darüber, dass das Schleppen von Verstärkern kein Rock ’n’ Roll ist und wie traurige Musik mit dem Leben versöhnen kann.
Element of Crime, das sind über 30 Jahre Bandgeschichte. Wenn Sie einmal auf diese Jahre zurückschauen, sticht da etwas Besonderes heraus? Naja, das Interessante ist der Anfang. Ich habe ja mit Jakob (Gitarrist, A.d.R.) früher schon Musik gemacht. Aber das war die erste Band, in der ich Sänger sein durfte. Ich hätte vor allem niemals gedacht, dass man das 30 Jahre lang machen könnte. So wie ich damals drauf war, hätte mich dieser Gedanke auch total erschreckt. Das Komische heute ist gleichzeitig, dass ich nicht das Gefühl habe, dass die Band jetzt zu alt ist. Wir können noch neue Songs schreiben, wir sind gut drauf, wir sind eine lebendige Band, weil das alles noch funktioniert. Man kann ja nach 30 Jahren auch zu so einem Oldie-Phänomen geworden sein, weil man in der Vergangenheit verweilt und nur die alten Songs spielt.
Glücklicherweise gehört Element of Crime nicht zu den Bands, die nach so langer Zeit auf dem Parkplatz vorm Möbelhaus verenden. Obgleich sich der Sound nur mikroskopisch weiterentwickelt hat, gibt es immer wieder neue Songs auf die man als Hörer Lust hat. Ja, das ist eine schleichende Entwicklung. Wir bringen jetzt demnächst so eine Box mit unseren ersten 7 Alben heraus. Wenn man die so insgesamt hört - da ist schon einiges passiert, nicht nur mit der Sprache, auch mit dem Sound. Und trotzdem hat man immer das Gefühl, es ist die gleiche Band. Das ist vielleicht auch ein Glücksfall, dass wir nicht eine Band sind, die vor 20 Jahren ihren größten Hit hatte, dem sie dann innerlich nur noch hinterher läuft. Sondern, dass wir eine Band sind, mit der es eher immer ein Stückchen aufwärts ging. Es ist toll, dass wir die größten Erfolge erst mit den letzten drei Platten gehabt haben. Was sich am Anfang als schwierig und mühsam erwies, entpuppt sich heute als Glücksfall. Die eigentliche Bandarbeit ist Musik zu machen, nicht irgendwelche Verstärker zu schleppen und selber aufzubauen. Das ist nicht Rock ’n’ Roll. Auf dem Level, auf dem wir in den 80ern und auch noch Anfang der 90er waren, wären wir irgendwann verhungert.
War diese Art der Entwicklung der Grund dafür, dass Sie nie zwanghaft nach einem neuen Sound suchen mussten? Wenn eine Band etwas Neues machen will, dann muss sie sich auflösen und eine neue Band gründen. Oder man benennt sich um. Eine Band ist nichts, was man willkürlich umräumen kann. Das ist gar nicht kokett oder lustig gemeint. Bands sind Bands und haben einen gewissen Stil.
Wenn man sich die Tourdaten im April anschaut - da gibt es kaum Pausen. Gibt es auf Tour auch mal Tage, an denen Sie keinen Bock haben, auf die Bühne zu gehen? Nein, das ist nicht so. Man leidet eigentlich an den Tagen, an denen man nicht spielt. Das sind dann diese Off-Tage, die auch mal sein müssen, weil sonst die Stimme müde wird. Aber die nerven dann, weil man da sitzt und nicht mehr dieses Ding abends hat, auf das man hin fiebert. Eigentlich will man immer spielen auf Tournee. Der Tag beginnt auch erst richtig mit dem Soundcheck. Vorher ist alles nur wie unter Wasser.
Und wie ist das dann mit dem Gegenmoment, wenn keine Tour ist, Sie aber aufwachen und denken: „Boa, heute habe ich eine Gier nach Element of Crime!“? Naja, es gibt so etwas am Ende einer Tour. Es gibt ja auf Tour diesen Asphalt voll Adrenalin, dieses Gefühl, jeden Abend raus zu gehen und dann sind da ein paar Tausend Leute, die einem zujubeln. Da kann man süchtig nach werden. Deshalb sind auch diese freien Tage so schwierig. Und am Ende der Tournee kann man durchaus in so ein Loch fallen. Da kommt man nach Hause und denkt, oh toll, jetzt kann ich ausschlafen. Aber dann sitzt man abends da und denkt, und was mache ich jetzt? Weil man ja gewohnt ist, sich um diese Uhrzeit mit Adrenalin und Euphorie zuzuschütten. Aber nach ein paar Tagen, die man braucht, um runter zu kommen, ändert sich auch der Modus, dann ist es auch vorbei. Ich muss aber auch sagen, dass – so wie wir das früher ja auch mal gemacht haben – ein ganzes Jahr gar nicht live zu spielen, das würde mich mittlerweile schon echt nerven, weil’s einfach zu viel Spaß macht.
Man sieht im Publikum zu Ihren Konzerten immer eine gute Altersmischung. Das geht auch gar nicht anders. Wir waren ja früher immer die Jüngsten im Saal. Jetzt bin ich aber 55 Jahre, da wären ja heute nur noch 60+ im Saal, nein, das ginge nicht. Das könnte man im unbestuhlten Saal auch gar nicht bringen. Ich finde immer ganz gut, wenn so ein paar Reihen bestuhlt sind, da kann sich der ältere Herr auch mal hinsetzen. Obwohl ja die meisten Leute doch schon eher stehen, weil sie sich freier bewegen wollen. Ich mag’s gern, wenn Rock ’n’ Roll so frei funktioniert, auch fürs Publikum. Es kann jeder mitmachen.
Haben Sie stets ein Notizbuch dabei, um Zeilen, die Ihnen spontan durch den Kopf gehen für Lieder einzufangen? Wenn da so ein Wort „Schwachstromsignalübertragungsweg“ im Kopf auftaucht, wird das sofort in ein Textfragment verpackt und notiert, um später in einem Song benutzt zu werden? Nein. Ich geb’ mir nicht mal Mühe, mir so etwas zu merken. Musik kann sehr inspirierend wirken. Es ist dann so, dass mit Musik alles was man mal gesagt oder aufgenommen hat, da ist. Die Musik kommt und du suchst nach einem anderen Wort für Klingel und dann für Klingelleitung dann kommen diese Silben einfach. Oder da ist eben diese Melodie, die macht da dadaa, da dadaa und irgendwann denkt man – warum auch immer - „schwere See, schwere See, mein Herz“, das ist dann einfach da. Ich glaube ja immer, dass eine wirklich gute Idee sich dadurch bewährt, dass sie auch in Erinnerung bleibt. Wenn der Gedanke vergeht, dann kann die Idee nicht so gut gewesen sein.
Obgleich Element of Crime immer ein bisschen melancholisch klingen, verursachen die Lieder zumindest bei mir keine Traurigkeit, sondern immer eine Lust nach Aufbruch. Haben Sie je darüber nachgedacht, registrieren Sie das vielleicht sogar auch? Das ist ja gerade der Witz, dass nur in der Kunst und in der Musik mehr, als bei allen anderen Künsten – das Traurige auch schön sein kann. Im richtigen Leben ist das Traurige nicht schön, es ist einfach nur traurig und schrecklich. Und auf gewisse Weise kann uns die Kunst daher auch mit unserem Leben versöhnen. Wenn es überhaupt einen Sinn für Kunst gibt, dann liegt er da. Ich bin aber nicht dafür, einer Sache immer einen Sinn zu geben, sondern sich daran zu erfreuen, dass sie da ist. Die Leute kommen ja auch nicht auf unsere Konzerte, um traurig zu sein, obwohl natürlich eben eine Menge unserer Songs schon extrem traurig sind. Das ist eben nur in der Musik möglich. Da sind wir ja auch nicht alleine. Blues-Musik ist nichts anderes, als von vorne bis hinten traurig. Und trotzdem finden wir das toll. Es groovt, es macht Spaß. Und dieses Spannungsverhältnis finde ich so interessant.