Harald Hoffmann
Silbermond
Es geht um Trennung von unnötigem Ballast, vom Update des eigenen Lebens. Silbermond legen mit ihrem fünften Album „Leichtes Gepäck“ die wohl persönlichste Platte vor. Wir haben Frontfrau Stefanie Kloß und Drummer Andreas Nowak zum Gespräch getroffen
Lasst uns mal mit einer eurer Songzeile anfangen: „Die, mit den guten Geschichten sind immer die Mutigen ...“ Wann wart ihr zuletzt mutig? Steffi: Gute Frage, Moment mal ... Ich denke, das letzte Mal war, als meine Freundin ihre Zwillinge bekommen hat. Ich saß bei ihr im Krankenhaus und wusste, dass die Zwillinge acht Wochen zu früh kommen. Also sitzt du da und obwohl du nichts tun kannst – musst du allen Mut zusammennehmen. Das war ein besonderer Moment für uns beide. Ich habe dann die ganzen Anrufe übernommen, die Eltern, die Freunde. Andreas: Für mich ist es das Fliegen, das Einsteigen in ein Flugzeug. Da nehme ich meinen Mut jedesmal zusammen.
Das Thema des Albums ist Entschleunigung, Konsumverzicht. Spielt das in eurem Alltag eine Rolle? S: Prinzipiell ja. Nachdem wir den Song „Leichtes Gepäck“ geschrieben haben, merkten wir, dass sich das Thema in unseren Alltag geschlichen hat. Also fragt man sich, ob man Dinge wirklich braucht, ob das jetzt sein muss. Aber es geht uns auch um den seelischen Ballast, um das, was wir mit uns rumschleppen. Um den Druck, die Verantwortung, die wir in den täglichen Aufgaben spüren und aufzupassen, dass es uns gut damit geht.
Von welchem seelischen Ballast musstet ihr euch denn befreien? A: Ach, da geht es gar nicht um die ganz großen Sachen. Wenn du so lange zusammen bist als Band, dann schleichen sich halt so Dinge ein, Gewohnheiten, die auch trennen können. Also muss man sich immer mal wieder fragen, was einem wichtig ist und was nicht. Das haben wir auch als Band getan.
Klingt nach Neuausrichtung. A: Ja. Wenn du immer fährst, fährst, fährst, ohne anzuhalten und irgendwann merkst, dass du die Umgebung nicht mehr richtig wahrnimmst, dann ist der Punkt erreicht. Du merkst, irgendwas stimmt nicht, kannst es aber noch nicht ganz greifen. Also muss man drüber reden. Frauen natürlich meist eher und mehr als Männer. Also haben wir das getan, und das hat uns als Band geholfen.
War es auch der Druck, nach erfolgreichen 14 Jahre immer weiter Neues abzuliefern. S: Das ist eine Mischung aus vielen Sachen. Der Druck ist sicher gewachsen über die Jahre, da merkst du, dass die Leute genauer hingucken, wenn die neue Silbermond-Platte kommt. Man ist dann weniger mutig, ist ängstlicher. Das wirkt sich manchmal auch auf die Kreativität aus. Dann wirfst du gute Ideen weg, weil du glaubst, dass sie nicht gut genug sein könnten. Dann merkst du, dass es verbissener geworden ist, ein bisschen die Leichtigkeit verloren gegangen ist. Und du fragst dich: Wo ist denn unser Mut hin, unsere Leichtigkeit? Was ist mit der Band passiert, die damals einfach gemacht hat, worauf sie Lust hat? Das hat uns geärgert.
Also waren da auch die Gedanken, aufzuhören? S: Die Frage lautete konkret: Hören wir auf mit der Band oder nicht? Aber man denkt nicht gleich an etwas Neues. Das ist wie in einer Beziehung: Wenn du mit deinem Freund zehn Jahre zusammen bist und du stellst fest, irgendwas stimmt da nicht mehr, dann schaust du dich doch nicht gleich nach jemand neuem um, sondern fragst dich, was denn da verlorengegangen ist auf dem Weg? Wir kennen uns als Band schon so lange – 15 Jahre – das wirft man nicht einfach so weg. Die Einsicht an sich, dass man ein Problem hat und darüber nachzudenken, war mit Sicherheit der schwierigere Weg, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Ihr seid mittlerweile gut über 30. Gefühlt waren die früheren Alben rockiger. Wird man altersbedingt nachdenklicher, ruhiger? S: Sind wir jetzt schon in dem Alter? Oh je. A: Ich würde eher sagen, dass die Platte sehr privat ist, da ist kein Schnickschnack drumrum, das ist nicht vorproduziert worden. Und inhaltlich sind es keine Partylieder, aber das war schon immer so, dass wir uns eher mit den Fragen des Lebens beschäftigen.
Ihr definiert euch stark über eure Texte. Deutsche Musik ist angesagter denn je. Ist es dadurch schwieriger zu texten? A: Nein, da inspiriert doch der eine den anderen. Einer sagt halt lieber Tupperware, der andere mag mehr das Wort Keramik. Weil so viele Künstler auf deutsch texten, entwickelt sich eine intensive Sprache. Ich erinnere mich noch an Zeiten, da durfte man einzelne Worte nicht benutzen, weil es dann vielleicht zu schlageresk wurde. S: Letztendlich geht es in Songtexten vor allem um Ehrlichkeit. Das spüren die Leute.
Dann sag mal ehrlich: Wie ist es bei dir mit dem Schwäche zeigen? Auf Konzerten wirkst du ja eher taff. S: Nur weil man taff wirkt, heißt es ja nicht, keine Schwächen zu zeigen. Wenn mich etwas emotional berührt, dann weine ich halt. Dann ist das so. Dann muss man sich auch nicht verstecken. Im Gegenteil: Ich glaube es ist die größere Stärke, seine Schwächen zeigen zu können.
Hört ihr auch andere deutsche Künstler? A: Wir mögen die deutsche Sprache und natürlich hören wir uns dann auch an, was andere in ihren Songs zu sagen haben: Bosse oder AnnenMayKantereit. Auch Judith Holofernes schreibt tolle Sachen.
Euer Song „B96“ erzählt vor allem über die Heimat. Wie erlebt ihr als Berliner heute eure Heimat Bautzen? A: Die Heimat bleibt die Heimat. Das war Kindheit, der erste Kuss. Also ist es immer schön, wieder hin zu fahren, aber Berlin ist längst sowas wie zweite Heimat geworden
Geht einem Großstadt aber nicht manchmal auf den Senkel? A: Ach Großstadt. Ich war jetzt kürzlich mal in Bangkok, dagegen ist Berlin echt dörflich. Ansonsten mögen wir Berlin, mögen wir die Großstadt, weil du kulturell viel machen kannst. Dafür nimmst du auch hin, dass du viel länger brauchst um von a nach b zu kommen.
Von der Großstadt nach Magdeburg. Der Domplatz wird für euch eine Wiederkehr, aber diesmal ohne Silly, ganz alleine … S: Ich kann mich noch gut erinnern. Die Kulisse auf dem Domplatz ist grandios. Also freuen wir uns, dort erstmals alleine zu spielen und freuen uns noch mehr, wenn ihr dabei seid.